
Bewerbungen nerven
Bewerbungen schreiben und versenden? Mag ich nicht. Ich mag den kompletten Bewerbungsprozess nicht. Es nervt, wenn bereits die Stellenanzeige zu viele Fragen für mich offen lässt. Es nervt, wenn ich umständlich Unterlagen hochladen und trotzdem Formulare wie bei Ämtern ausfüllen muss. Ganz zu schweigen von dem Erstellen irgendwelcher Accounts nur für diese eine Bewerbung – und dann bekomme ich maximal eine automatische Antwort und höre nichts mehr. Bewerbungen nerven!
Liebe Leute in den Führungspositionen und HR-Menschen:
Meint Ihr nicht, dass es wirklich mal Zeit wird, Euren Bewerbungsprozess zu modernisieren? Ihr verhaltet Euch wie in den Zeiten der Massenarbeitslosigkeit und beklagt Euch über fehlende Fachkräfte. Schon mal dran gedacht, dass Ihr fähige Leute auch abschrecken könnt? Ich gebe Euch gerne einige Beispiele.
Stellenanzeige: Eierlegende Wollmilchsau soll sich zum Nulltarif ausbeuten lassen?
Ja, das ist hart formuliert. Doch für mich klingen sehr viele Stellenanzeigen genau so!
Die Arbeitsgebiete und Aufgaben sind nicht klar abgegrenzt. Beispiel:
Ein Bildungsunternehmen suchte eine Trainerin für EDV-Kurse, die „remote vor Ort“ stattfinden sollten. Aha. Geht auch remote von mir Zuhause aus? Gleichzeitig stand drin, dass die Arbeitszeiten flexibel seien, obwohl die Kurse zu festen Zeiten stattfanden. Natürlich fragte ich mich da bereits, ob ich fest oder befristet angestellt bin oder das auf Honorarbasis laufen soll. Doch neben dem Unterrichten sollte ich auch Lehrpläne und Kursprogramme „in Absprache“ für andere erstellen, die Evaluation durchführen und und und. Okay…???
Wenn ich selbst unterrichte, sind es dann die selbst erstellten Kurse oder Kurse, die andere erstellt haben? Zudem wurde eine ganze Bandbreite an Themen genannt. Heißt das, das ist im Aufbau und wir erstellen zunächst eine Basis, die dann alle Unterichtende nutzen? Für meinen eigenen Unterricht bin ich es gewohnt, genauso tauschten meine Kolleg*innen und ich uns aus, damit es nach außen ein einheitliches Bild ergab. Ist es so gemeint?
Ich mag es absolut gar nicht, wenn ich eine Rückfrage zur Stellenanzeige selbst habe, aber telefonisch abgewimmelt werde oder, wenn per Mail gefragt, meine Frage ignoriert wird. Keine Antwort heißt für mich: Ihr wollt keine Bewerbung.
Hinzu kamen bei dieser Stellenausschreibung weitere sehr unklare Aussagen, bei denen ich genauso gut plötzlich Standortleiterin oder sonstiges hätte sein können. Selbstverständlich nicht so bezeichnet, das würde ja mehr kosten. Und ganz selbstverständlich tauchten einige der üblichen Floskeln auf, für die es mittlerweile wirklich Schmerzensgeld an die Menschen geben müsste, die diese Stellenanzeige überhaupt lesen!
Beim Lesen solcher Anzeigen beginnt es bereits, dass Bewerbungen nerven. Und wie gesagt: Keine Antwort auf meine Frage, durch die ich mehr Klarheit bei all dem gewinnen wollte? Bye, ich melde mich so schnell nicht wieder bei Euch!
„Wie geben Ihnen eine sinnstiftende Arbeit!“
Was mich an dieser Floskel stört? Sie wird meist von Firmen verwendet, die durch das „Sinn“-Argument die Gehälter drücken wollen. Bei manchen hatte ich sogar schon den Eindruck, als ob sie erwarten würden, dass für diese Sinnstiftung bezahlt werden müsste.
- Sollte das ein „Wir holen die Millenials ins Boot“-Schiene sein? Haltet Ihr die Leute für so dumm, dass sie einen Extrahinweis darauf brauchen, wie „sinnstiftend“ etwas ist?
- Es handelt sich meist um vollkommen normale Jobs. Sie sind weder moralisch, ethisch oder sonstwie herausfordernd, noch unbedingt darauf aus, Armen zu helfen, Kranken, sonstigen Hilfesuchenden. Es sind ganz einfach gewöhnliche Jobs. Ein Etikett ankleben ändert nichts an dieser Tatsache.
- Wenn die Tätigkeit sinnstiftend ist, dann wird das bereits bei der Jobbeschreibung deutlich.
- Die Bewertung, ob etwas sinnstiftend ist oder nicht, liegt nicht bei den Arbeitgebern, sondern bei den Menschen, die diese Tätigkeit ausüben.
- Wenn das Leben so unbedeutend ist, dass jemand eine Arbeitsstelle benötigt, die im Stellenangebot als „sinnstiftend“ beschrieben wird, ist es sehr traurig für die jeweilige Person.
- Unternehmen, die „sinnstiftend“ schreiben und brüllen, sind meistens die arbeitnehmerunfreundlichsten. Die schlimmsten Ausbeuter, die mehr und noch mehr verlangen, bis ein Arbeitnehmer*in ausgebrannt ist! Zumindest meiner Erfahrung nach.
Kurz: Liebe Firmen, spart Euch diese wenig sinnvolle Floskel. Die glaubt Euch eh keiner.
„Angemessene Vergütung“
Eine weitere Floskel, die so unheimlich viel, nämlich NICHTS aussagt!
Was ist denn „angemessen“? Angemessen für den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber?
Natürlich gehört zu einer Stelle mehr als das Gehalt. Da ich jedoch Miete, Nebenkosten, Strom zu zahlen habe und für meinen Lebensunterhalt aufkommen muss, ist der Punkt „Gehalt“ für mich wichtig. Wenn ich gar keinen Anhaltspunkt finde, nicht einmal eine Orientierung am Tarifvertrag von XYZ, stattdessen jedoch im Internet bei der weiteren Recherche auf negative Bewertungen das Gehalt betreffend stoße, dann seid Ihr für mich uninteressant.
<Ironie an>Süß <Ironie aus> ist es auch, wenn vom gleichen Unternehmen eine Honorarkraft gesucht wird mit dem Hinweis, es würde ein attraktiver Stundensatz von 20 Euro bezahlt werden. 20 Euro? Als Selbstständige? Was soll daran „attraktiv“ sein? Zumindest weiß ich dann, dass diese Firma Fachkräfte möglichst zum Nulltarif sucht.
Ich habe weder Lust, ausgenutzt zu werden, noch Böcke auf Gehaltsangebote, bei denen ich gleich weiß, dass ich mit Wohn- oder Bürgergeld aufstocken muss. Vergesst es einfach. Hier kann ich auch jedem jüngeren Menschen nur abraten. Bewerbungen bei solchen Firmen nerven nicht nur, sie sind vergeudete Zeit.
Noch etwas: Oft werben Formen auch mit dem „überdurchschnittlichen Gehalt“, dem „attraktiven Gehalt“ oder der „leistungsgerechten Bezahlung“. Was heißt das konkret?
Meiner Erfahrung nach ist das genauso aussagekräftig wie die „angemessene Vergütung“, nämlich gar nicht. Bei manchen Unternehmen müsste bei der Werbung mit der „leistungsgerechten Bezahlung“ eigentlich sogar Leistung zurückgehalten werden, wenn sie mit Niedriglöhnen abspeisen wollen.
Laut zweier Befragungen von StepStone liegen die fehlenden Gehaltsangaben bei den Hürden bei der Bewerbung auf Platz 1, ich bin also nicht alleine. Hier nachzulesen: Was Jobsuchende als nervig empfinden
„…aber wir haben doch einen Billiardtisch und sowas!“
Na und? Auch kostenloses Wasser oder Obst ändern nichts an der Tatsache, dass ich mein Dach über dem Kopf bezahlen muss. Das sind allenfalls nette Extras.
Oder wollt Ihr mich fürs Billiardspielen bezahlen, egal wie mies ich darin bin?
„…aber unsere Unternehmenskultur!“
Die ist doch immer absolut fantastisch, wenn ich den Unternehmen zuhöre. Ich habe es noch nie erlebt, dass jemand zu mir gesagt hat: „Unsere Mitarbeiter kommen und flüchten bei der nächsten Gelegenheit. Vielen Dank für Ihren Mut, sich trotzdem hier zu bewerben!“
Daran ändern viele Teamaktivitäten, die in Stellenanzeigen wie ein Muss klingen, nichts. Im Gegenteil: Bei mir baut das zusätzlichen Druck auf, weil ich ja nun nicht nur beruflich, sondern auch in meiner Freizeit „performen“ muss. Wenn genannt, dann bitte so, dass es wirklich wie ein freiwilliges Angebot rüberkommt.
Noch ein Satz zur Unternehmenskultur: Das gute alte Lob und die Anerkennung sowie einen Mitarbeitenden menschlich wirklich sehen – das fehlt bei den meisten Betrieben.
(Kostet ein Unternehmen garantiert weniger als ein Fitnessraum und sosntiges, ist jedoch effektiver.)
Stellenanzeigen und Bewerbungen nerven: Floskel-Bingo
Wie? Ihr seid genervt von Floskeln wie „Ich bin eine flexible und vielseitige Mitarbeiterin, die teamfähig ist“?
Mich nerven viele Eurer Floskeln. Einige habe ich bereits genannt, hier kommen weitere:
- Teamarbeit wird bei uns groß geschrieben
- kollegiales Umfeld
- familiäre Atmosphäre (Hilfe, hatte ich schon! Nein, ich will nicht in Familienkram hineingezogen werden!)
- Mitarbeit in einer erfolgreichen Unternehmensgruppe
- vielfältige Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, Mitgestaltungsmöglichkeiten
- proaktiv (…ich bin dann mal contrainaktiv)
- „Hands-on-Mentalität“
- humorvolle Unternehmenskultur
- Start-up-Atmosphäre (heißt für mich eher: miese Bezahlung und viele Überstunden)
- bei Bildungsträgern beliebt: „Bildung ist eine Grundlage für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.“, manchmal ist es sogar eine entscheidende Grundlage, eine unentbehrliche oder was auch immer.
- ganzheitliche Ausrichtung
- moderne technische Ausstattung (…na, immerhin keine Schreibmaschinen mehr)
- „Wir suchen Mitarbeiter, die selbstmotiviert sind.“, „…begeisterungsfähig sind.“, „…Einsatzfreude mitbringen.“, „…kreative Alleskönner.“ (Gehen da nur bei mir alle Alarmsirenen los?)
- „Sie sind sozial kompetent…“
- seltsame Übertreibungen wie „einzigartigsten“, „vielseitigsten“, „passgenauesten“, ebenso wie „Berufung“ für eine Praktikumsstelle oder einen Minijob
Weitere gibt es hier: Nervigste Floskeln in Stellenanzeigen
Dieses Denglisch!
Was ich ebenfalls nicht ausstehen kann: dieses Denglisch!
Teilweise habe ich null Ahnung, was Ihr überhaupt von mir als Bewerberin wollt, da ich weder mit Deutsch, mit Englisch noch mit meiner Fachsprache, die ja ebenfalls sehr spezifisch sein kann, weiterkomme.
Wollt Ihr darüber hinwegtäuschen, dass Ihr null Ahnung habt, was für diese Stelle überhaupt relevant ist? Und da Ihr es nicht versteht, soll es scheinbar keiner verstehen? Das heißt aber auch, dass diese Stelle so schnell nicht besetzt wird, oder dass mit einer Luftpumpe, die genauso auf diesen Blödsinn steht, am Ende besetzt wird.
Mein Haupteindruck ist jedoch, dass Ihr nur wollt, dass alles suuuupertoll und hip und modern klingt, dabei handelt es sich um eine stinklangweilige Stelle.
Accounts, Uploads… Ab jetzt nerven Bewerbungen wirklich!
Wie bereits am Anfang erwähnt: Für mich ist es nicht nachvollziehbar, weshalb ich einen Account erstellen muss, damit ich meine Bewerbung abschicken kann. Für mich bedeutet das lediglich, dass ich noch ein Passwort aufschreiben muss. Darauf habe ich von vorneweg keine Lust.
„Darf“ ich dann meine Bewerbungsunterlagen hochladen, danach nochmals all meine Lebenslaufdaten in Formularfelder tippen, würde ich am liebsten abbrechen. Was soll das? Wieso muss ich unbezahlt bereits doppelt arbeiten? Zumal ich es so oft erlebte, dass die Formularfelder so kurzsichtig angelegt wurden, dass ich bereits zu Abkürzungen und sonstiges zurückgreifen muss, was mir das Gefühl gibt, zu schummeln. Ich wohne z. B. in einer Straße, die einen längeren Namen hat. Alleine die bereitet regelmäßig Probleme, die keine sein dürften.
Die Krönung ist es dann, wenn ich fernab meiner angestrebten Stelle irgendwelche Tests absolvieren soll.
Sorry, Bewerbungen bei Euch nerven so sehr, eigentlich habt Ihr dann bereits bei mir verloren. Und ich bin mir sicher, dass Euch dadurch viele Topleute entgehen, weil sie diesen Blödsinn nicht mitmachen wollen.
Rückmeldungen erwünscht!
Liebe Arbeitgeber*innen, ich wünsche mir wenigstens eine kurze Rückmeldung auf meine Bewerbung! Mittlerweile bin ich ja bereits glücklich, wenn diese automatische, vollkommen unpersönliche Antwort kommt. Dann weiß ich wenigstens, dass meine Bewerbung angekommen ist trotz Eurer Upload-Hürden.
Schöner ist es, wenn ich zwischendurch mal eine kurze Nachricht erhalte, falls der Bewerbungsprozess noch läuft, und wie lange es voraussichtlich noch dauern wird.
Zum Ko*** finde ich es dagegen, wenn gar nichts kommt. Ich hasse es, wenn mir das Gefühl vermittelt wird, dass ich Euch nicht einmal eine Absage wert bin. Oder haltet Ihr meine Unterlagen irgendwo bereit, falls sich nach X Jahren was tut? Dann bitte ich um eine Info!
Was ich, außer null Rückmeldungen, auch bereits erlebt habe:
- Meldung nach einem Jahr mit dem Hinweis, die Stelle wurde andersweitig besetzt (immerhin eine Rückmeldung, aber…???)
- „Wir benötigen ab sofort“, „könnten Sie bereits am xxx. anfangen?“ – ein halbes Jahr später erfahre ich dann, dass sich das Projekt zerschlagen hat, nachdem ich vorher nach der Eile zigmal vertröstet oder ignoriert wurde
- Bei einer Zeitarbeitsfirma passiert: Dort als Mitarbeiterin beworben, dann plötzlich die Aufforderung mein Profil zu ergänzen, wobei ich plötzlich behandelt wurde, als ob ich als Hilfskraft über diese Zeitarbeitsfirma eine Stelle suchen würde.
- Absagen für Stellen, auf die ich mich nicht beworben habe
…und noch einiges mehr. Ihr erwartet von den Bewerbern und Bewerberinnen, dass sie eine ordentliche Bewerbung abliefern. Wir erwarten, dass Ihr uns weder wie Luft noch wie Dreck behandelt und überhaupt wisst, was Ihr da macht.
Bewerbungen nerven, der ganze Prozess nervt!
Leider ist es damit immer noch nicht getan, bis eine Einstellung winkt. Dafür sind zunächst einmal Vorstellungsgespräche nötig. Für mich ist es okay, wenn diese telefonisch oder per Videotelefonie stattfinden, in unserer eher ländlich geprägten Gegend sind diese jedoch noch sehr selten.
Was mich dann richtig nervt:
- Ich wurde eingeladen – und das Gespräch dreht sich um eine vollkommen andere Stelle. Meist ist diese Stelle weitaus unattraktiver oder ganz schlicht und einfach völlig unpassend.
- „Wenn Sie nicht zu dieser Stelle passen, weshalb haben Sie sich dann beworben?“ „Wenn ich doch nicht passe, wieso haben Sie mich eingeladen???“
- Meine Bewerbungsunterlagen wurden gar nicht gelesen! Der Bachelor-Abschluss genügte für die Einladung, nur um dann festzustellen, dass ich „das Falsche“ studiert habe bzw. „Bewerbung als…“ ja darauf steht und ich im falschen Stapel gelandet bin.
- Verhörszenarien: Ich sitze auf einem Stuhl mitten im Raum, während im Halbkreis zig Leute hinter Tischen sitzen, mich begutachten und ins Kreuzverhör nehmen.
- „XXX ist heute nicht da.“ Warum wurde mir nicht abgesagt?
- „Warten Sie hier.“ Ich bin ja großzügig und warte, aber wenn nach spätestens einer halben Stunde nicht einmal eine Rückmeldung, ein Hinweis, ein neuer Termin oder irgendwas kommt, bin ich weg.
Ganz zu schweigen von all den Fragen, die weder etwas mit meiner Tätigkeit zu tun haben noch einen Arbeitgeber etwas angehen. Ich habe so oft direkte und versteckte Fragen nach meinem Kinderwunsch gehört bzw. beantwortet, man könnte wirklich meinen, das wären alles Chemiekonzerne oder Firmen gewesen, bei denen die Arbeit dort einem ungeborenen Kind schaden könnte.
Mein Fazit: Bewerbungen nerven und der Prozess dient der Abschreckung
Einige Firmen sollten sich einfach mal an die eigene Nase fassen statt sofort bei fehlenden Bewerbungen „Fachkräftemangel!“ oder „Arbeitkräftemangel!“ brüllen. Vielleicht seid Ihr ganz schlicht und einfach bereits beim Bewerbungsprozess einfach nur unattraktiv, weil Ihr es zu unverständlich und umständlich macht?
Schaut mal hier: Von wegen Fachkräftemangel: Das rätselhafte Verhalten vieler Unternehmen im Bewerbungsprozess
Hinzu kommen weitere Punkte wie eine wirklich „angemessene Bezahlung“, auf die Menschen eingehen und Arbeitsbedingungen schaffen, bei denen weniger irgendwann vollkommen ausbrennen, gerade zum Beispiel im sozialen Bereich, in der Pflege usw. Wenn ich weiß, dass ein Unternehmen nur ausbeutet, will ich dort nicht arbeiten.
Ich lebe nicht, um zu arbeiten, bis ich weggeworfen werde, weil ich nicht mehr arbeiten kann.