von Yvonne Hensgen | Sep. 6, 2024 | Beruf, Karriere
Bewerbungen schreiben und versenden? Mag ich nicht. Ich mag den kompletten Bewerbungsprozess nicht. Es nervt, wenn bereits die Stellenanzeige zu viele Fragen für mich offen lässt. Es nervt, wenn ich umständlich Unterlagen hochladen und trotzdem Formulare wie bei Ämtern ausfüllen muss. Ganz zu schweigen von dem Erstellen irgendwelcher Accounts nur für diese eine Bewerbung – und dann bekomme ich maximal eine automatische Antwort und höre nichts mehr. Bewerbungen nerven!
Liebe Leute in den Führungspositionen und HR-Menschen:
Meint Ihr nicht, dass es wirklich mal Zeit wird, Euren Bewerbungsprozess zu modernisieren? Ihr verhaltet Euch wie in den Zeiten der Massenarbeitslosigkeit und beklagt Euch über fehlende Fachkräfte. Schon mal dran gedacht, dass Ihr fähige Leute auch abschrecken könnt? Ich gebe Euch gerne einige Beispiele.
Stellenanzeige: Eierlegende Wollmilchsau soll sich zum Nulltarif ausbeuten lassen?
Ja, das ist hart formuliert. Doch für mich klingen sehr viele Stellenanzeigen genau so!
Die Arbeitsgebiete und Aufgaben sind nicht klar abgegrenzt. Beispiel:
Ein Bildungsunternehmen suchte eine Trainerin für EDV-Kurse, die „remote vor Ort“ stattfinden sollten. Aha. Geht auch remote von mir Zuhause aus? Gleichzeitig stand drin, dass die Arbeitszeiten flexibel seien, obwohl die Kurse zu festen Zeiten stattfanden. Natürlich fragte ich mich da bereits, ob ich fest oder befristet angestellt bin oder das auf Honorarbasis laufen soll. Doch neben dem Unterrichten sollte ich auch Lehrpläne und Kursprogramme „in Absprache“ für andere erstellen, die Evaluation durchführen und und und. Okay…???
Wenn ich selbst unterrichte, sind es dann die selbst erstellten Kurse oder Kurse, die andere erstellt haben? Zudem wurde eine ganze Bandbreite an Themen genannt. Heißt das, das ist im Aufbau und wir erstellen zunächst eine Basis, die dann alle Unterichtende nutzen? Für meinen eigenen Unterricht bin ich es gewohnt, genauso tauschten meine Kolleg*innen und ich uns aus, damit es nach außen ein einheitliches Bild ergab. Ist es so gemeint?
Ich mag es absolut gar nicht, wenn ich eine Rückfrage zur Stellenanzeige selbst habe, aber telefonisch abgewimmelt werde oder, wenn per Mail gefragt, meine Frage ignoriert wird. Keine Antwort heißt für mich: Ihr wollt keine Bewerbung.
Hinzu kamen bei dieser Stellenausschreibung weitere sehr unklare Aussagen, bei denen ich genauso gut plötzlich Standortleiterin oder sonstiges hätte sein können. Selbstverständlich nicht so bezeichnet, das würde ja mehr kosten. Und ganz selbstverständlich tauchten einige der üblichen Floskeln auf, für die es mittlerweile wirklich Schmerzensgeld an die Menschen geben müsste, die diese Stellenanzeige überhaupt lesen!
Beim Lesen solcher Anzeigen beginnt es bereits, dass Bewerbungen nerven. Und wie gesagt: Keine Antwort auf meine Frage, durch die ich mehr Klarheit bei all dem gewinnen wollte? Bye, ich melde mich so schnell nicht wieder bei Euch!
„Wie geben Ihnen eine sinnstiftende Arbeit!“
Was mich an dieser Floskel stört? Sie wird meist von Firmen verwendet, die durch das „Sinn“-Argument die Gehälter drücken wollen. Bei manchen hatte ich sogar schon den Eindruck, als ob sie erwarten würden, dass für diese Sinnstiftung bezahlt werden müsste.
- Sollte das ein „Wir holen die Millenials ins Boot“-Schiene sein? Haltet Ihr die Leute für so dumm, dass sie einen Extrahinweis darauf brauchen, wie „sinnstiftend“ etwas ist?
- Es handelt sich meist um vollkommen normale Jobs. Sie sind weder moralisch, ethisch oder sonstwie herausfordernd, noch unbedingt darauf aus, Armen zu helfen, Kranken, sonstigen Hilfesuchenden. Es sind ganz einfach gewöhnliche Jobs. Ein Etikett ankleben ändert nichts an dieser Tatsache.
- Wenn die Tätigkeit sinnstiftend ist, dann wird das bereits bei der Jobbeschreibung deutlich.
- Die Bewertung, ob etwas sinnstiftend ist oder nicht, liegt nicht bei den Arbeitgebern, sondern bei den Menschen, die diese Tätigkeit ausüben.
- Wenn das Leben so unbedeutend ist, dass jemand eine Arbeitsstelle benötigt, die im Stellenangebot als „sinnstiftend“ beschrieben wird, ist es sehr traurig für die jeweilige Person.
- Unternehmen, die „sinnstiftend“ schreiben und brüllen, sind meistens die arbeitnehmerunfreundlichsten. Die schlimmsten Ausbeuter, die mehr und noch mehr verlangen, bis ein Arbeitnehmer*in ausgebrannt ist! Zumindest meiner Erfahrung nach.
Kurz: Liebe Firmen, spart Euch diese wenig sinnvolle Floskel. Die glaubt Euch eh keiner.
„Angemessene Vergütung“
Eine weitere Floskel, die so unheimlich viel, nämlich NICHTS aussagt!
Was ist denn „angemessen“? Angemessen für den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber?
Natürlich gehört zu einer Stelle mehr als das Gehalt. Da ich jedoch Miete, Nebenkosten, Strom zu zahlen habe und für meinen Lebensunterhalt aufkommen muss, ist der Punkt „Gehalt“ für mich wichtig. Wenn ich gar keinen Anhaltspunkt finde, nicht einmal eine Orientierung am Tarifvertrag von XYZ, stattdessen jedoch im Internet bei der weiteren Recherche auf negative Bewertungen das Gehalt betreffend stoße, dann seid Ihr für mich uninteressant.
<Ironie an>Süß <Ironie aus> ist es auch, wenn vom gleichen Unternehmen eine Honorarkraft gesucht wird mit dem Hinweis, es würde ein attraktiver Stundensatz von 20 Euro bezahlt werden. 20 Euro? Als Selbstständige? Was soll daran „attraktiv“ sein? Zumindest weiß ich dann, dass diese Firma Fachkräfte möglichst zum Nulltarif sucht.
Ich habe weder Lust, ausgenutzt zu werden, noch Böcke auf Gehaltsangebote, bei denen ich gleich weiß, dass ich mit Wohn- oder Bürgergeld aufstocken muss. Vergesst es einfach. Hier kann ich auch jedem jüngeren Menschen nur abraten. Bewerbungen bei solchen Firmen nerven nicht nur, sie sind vergeudete Zeit.
Noch etwas: Oft werben Formen auch mit dem „überdurchschnittlichen Gehalt“, dem „attraktiven Gehalt“ oder der „leistungsgerechten Bezahlung“. Was heißt das konkret?
Meiner Erfahrung nach ist das genauso aussagekräftig wie die „angemessene Vergütung“, nämlich gar nicht. Bei manchen Unternehmen müsste bei der Werbung mit der „leistungsgerechten Bezahlung“ eigentlich sogar Leistung zurückgehalten werden, wenn sie mit Niedriglöhnen abspeisen wollen.
Laut zweier Befragungen von StepStone liegen die fehlenden Gehaltsangaben bei den Hürden bei der Bewerbung auf Platz 1, ich bin also nicht alleine. Hier nachzulesen: Was Jobsuchende als nervig empfinden
„…aber wir haben doch einen Billiardtisch und sowas!“
Na und? Auch kostenloses Wasser oder Obst ändern nichts an der Tatsache, dass ich mein Dach über dem Kopf bezahlen muss. Das sind allenfalls nette Extras.
Oder wollt Ihr mich fürs Billiardspielen bezahlen, egal wie mies ich darin bin?
„…aber unsere Unternehmenskultur!“
Die ist doch immer absolut fantastisch, wenn ich den Unternehmen zuhöre. Ich habe es noch nie erlebt, dass jemand zu mir gesagt hat: „Unsere Mitarbeiter kommen und flüchten bei der nächsten Gelegenheit. Vielen Dank für Ihren Mut, sich trotzdem hier zu bewerben!“
Daran ändern viele Teamaktivitäten, die in Stellenanzeigen wie ein Muss klingen, nichts. Im Gegenteil: Bei mir baut das zusätzlichen Druck auf, weil ich ja nun nicht nur beruflich, sondern auch in meiner Freizeit „performen“ muss. Wenn genannt, dann bitte so, dass es wirklich wie ein freiwilliges Angebot rüberkommt.
Noch ein Satz zur Unternehmenskultur: Das gute alte Lob und die Anerkennung sowie einen Mitarbeitenden menschlich wirklich sehen – das fehlt bei den meisten Betrieben.
(Kostet ein Unternehmen garantiert weniger als ein Fitnessraum und sosntiges, ist jedoch effektiver.)
Stellenanzeigen und Bewerbungen nerven: Floskel-Bingo
Wie? Ihr seid genervt von Floskeln wie „Ich bin eine flexible und vielseitige Mitarbeiterin, die teamfähig ist“?
Mich nerven viele Eurer Floskeln. Einige habe ich bereits genannt, hier kommen weitere:
- Teamarbeit wird bei uns groß geschrieben
- kollegiales Umfeld
- familiäre Atmosphäre (Hilfe, hatte ich schon! Nein, ich will nicht in Familienkram hineingezogen werden!)
- Mitarbeit in einer erfolgreichen Unternehmensgruppe
- vielfältige Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, Mitgestaltungsmöglichkeiten
- proaktiv (…ich bin dann mal contrainaktiv)
- „Hands-on-Mentalität“
- humorvolle Unternehmenskultur
- Start-up-Atmosphäre (heißt für mich eher: miese Bezahlung und viele Überstunden)
- bei Bildungsträgern beliebt: „Bildung ist eine Grundlage für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.“, manchmal ist es sogar eine entscheidende Grundlage, eine unentbehrliche oder was auch immer.
- ganzheitliche Ausrichtung
- moderne technische Ausstattung (…na, immerhin keine Schreibmaschinen mehr)
- „Wir suchen Mitarbeiter, die selbstmotiviert sind.“, „…begeisterungsfähig sind.“, „…Einsatzfreude mitbringen.“, „…kreative Alleskönner.“ (Gehen da nur bei mir alle Alarmsirenen los?)
- „Sie sind sozial kompetent…“
- seltsame Übertreibungen wie „einzigartigsten“, „vielseitigsten“, „passgenauesten“, ebenso wie „Berufung“ für eine Praktikumsstelle oder einen Minijob
Weitere gibt es hier: Nervigste Floskeln in Stellenanzeigen
Dieses Denglisch!
Was ich ebenfalls nicht ausstehen kann: dieses Denglisch!
Teilweise habe ich null Ahnung, was Ihr überhaupt von mir als Bewerberin wollt, da ich weder mit Deutsch, mit Englisch noch mit meiner Fachsprache, die ja ebenfalls sehr spezifisch sein kann, weiterkomme.
Wollt Ihr darüber hinwegtäuschen, dass Ihr null Ahnung habt, was für diese Stelle überhaupt relevant ist? Und da Ihr es nicht versteht, soll es scheinbar keiner verstehen? Das heißt aber auch, dass diese Stelle so schnell nicht besetzt wird, oder dass mit einer Luftpumpe, die genauso auf diesen Blödsinn steht, am Ende besetzt wird.
Mein Haupteindruck ist jedoch, dass Ihr nur wollt, dass alles suuuupertoll und hip und modern klingt, dabei handelt es sich um eine stinklangweilige Stelle.
Accounts, Uploads… Ab jetzt nerven Bewerbungen wirklich!
Wie bereits am Anfang erwähnt: Für mich ist es nicht nachvollziehbar, weshalb ich einen Account erstellen muss, damit ich meine Bewerbung abschicken kann. Für mich bedeutet das lediglich, dass ich noch ein Passwort aufschreiben muss. Darauf habe ich von vorneweg keine Lust.
„Darf“ ich dann meine Bewerbungsunterlagen hochladen, danach nochmals all meine Lebenslaufdaten in Formularfelder tippen, würde ich am liebsten abbrechen. Was soll das? Wieso muss ich unbezahlt bereits doppelt arbeiten? Zumal ich es so oft erlebte, dass die Formularfelder so kurzsichtig angelegt wurden, dass ich bereits zu Abkürzungen und sonstiges zurückgreifen muss, was mir das Gefühl gibt, zu schummeln. Ich wohne z. B. in einer Straße, die einen längeren Namen hat. Alleine die bereitet regelmäßig Probleme, die keine sein dürften.
Die Krönung ist es dann, wenn ich fernab meiner angestrebten Stelle irgendwelche Tests absolvieren soll.
Sorry, Bewerbungen bei Euch nerven so sehr, eigentlich habt Ihr dann bereits bei mir verloren. Und ich bin mir sicher, dass Euch dadurch viele Topleute entgehen, weil sie diesen Blödsinn nicht mitmachen wollen.
Rückmeldungen erwünscht!
Liebe Arbeitgeber*innen, ich wünsche mir wenigstens eine kurze Rückmeldung auf meine Bewerbung! Mittlerweile bin ich ja bereits glücklich, wenn diese automatische, vollkommen unpersönliche Antwort kommt. Dann weiß ich wenigstens, dass meine Bewerbung angekommen ist trotz Eurer Upload-Hürden.
Schöner ist es, wenn ich zwischendurch mal eine kurze Nachricht erhalte, falls der Bewerbungsprozess noch läuft, und wie lange es voraussichtlich noch dauern wird.
Zum Ko*** finde ich es dagegen, wenn gar nichts kommt. Ich hasse es, wenn mir das Gefühl vermittelt wird, dass ich Euch nicht einmal eine Absage wert bin. Oder haltet Ihr meine Unterlagen irgendwo bereit, falls sich nach X Jahren was tut? Dann bitte ich um eine Info!
Was ich, außer null Rückmeldungen, auch bereits erlebt habe:
- Meldung nach einem Jahr mit dem Hinweis, die Stelle wurde andersweitig besetzt (immerhin eine Rückmeldung, aber…???)
- „Wir benötigen ab sofort“, „könnten Sie bereits am xxx. anfangen?“ – ein halbes Jahr später erfahre ich dann, dass sich das Projekt zerschlagen hat, nachdem ich vorher nach der Eile zigmal vertröstet oder ignoriert wurde
- Bei einer Zeitarbeitsfirma passiert: Dort als Mitarbeiterin beworben, dann plötzlich die Aufforderung mein Profil zu ergänzen, wobei ich plötzlich behandelt wurde, als ob ich als Hilfskraft über diese Zeitarbeitsfirma eine Stelle suchen würde.
- Absagen für Stellen, auf die ich mich nicht beworben habe
…und noch einiges mehr. Ihr erwartet von den Bewerbern und Bewerberinnen, dass sie eine ordentliche Bewerbung abliefern. Wir erwarten, dass Ihr uns weder wie Luft noch wie Dreck behandelt und überhaupt wisst, was Ihr da macht.
Bewerbungen nerven, der ganze Prozess nervt!
Leider ist es damit immer noch nicht getan, bis eine Einstellung winkt. Dafür sind zunächst einmal Vorstellungsgespräche nötig. Für mich ist es okay, wenn diese telefonisch oder per Videotelefonie stattfinden, in unserer eher ländlich geprägten Gegend sind diese jedoch noch sehr selten.
Was mich dann richtig nervt:
- Ich wurde eingeladen – und das Gespräch dreht sich um eine vollkommen andere Stelle. Meist ist diese Stelle weitaus unattraktiver oder ganz schlicht und einfach völlig unpassend.
- „Wenn Sie nicht zu dieser Stelle passen, weshalb haben Sie sich dann beworben?“ „Wenn ich doch nicht passe, wieso haben Sie mich eingeladen???“
- Meine Bewerbungsunterlagen wurden gar nicht gelesen! Der Bachelor-Abschluss genügte für die Einladung, nur um dann festzustellen, dass ich „das Falsche“ studiert habe bzw. „Bewerbung als…“ ja darauf steht und ich im falschen Stapel gelandet bin.
- Verhörszenarien: Ich sitze auf einem Stuhl mitten im Raum, während im Halbkreis zig Leute hinter Tischen sitzen, mich begutachten und ins Kreuzverhör nehmen.
- „XXX ist heute nicht da.“ Warum wurde mir nicht abgesagt?
- „Warten Sie hier.“ Ich bin ja großzügig und warte, aber wenn nach spätestens einer halben Stunde nicht einmal eine Rückmeldung, ein Hinweis, ein neuer Termin oder irgendwas kommt, bin ich weg.
Ganz zu schweigen von all den Fragen, die weder etwas mit meiner Tätigkeit zu tun haben noch einen Arbeitgeber etwas angehen. Ich habe so oft direkte und versteckte Fragen nach meinem Kinderwunsch gehört bzw. beantwortet, man könnte wirklich meinen, das wären alles Chemiekonzerne oder Firmen gewesen, bei denen die Arbeit dort einem ungeborenen Kind schaden könnte.
Mein Fazit: Bewerbungen nerven und der Prozess dient der Abschreckung
Einige Firmen sollten sich einfach mal an die eigene Nase fassen statt sofort bei fehlenden Bewerbungen „Fachkräftemangel!“ oder „Arbeitkräftemangel!“ brüllen. Vielleicht seid Ihr ganz schlicht und einfach bereits beim Bewerbungsprozess einfach nur unattraktiv, weil Ihr es zu unverständlich und umständlich macht?
Schaut mal hier: Von wegen Fachkräftemangel: Das rätselhafte Verhalten vieler Unternehmen im Bewerbungsprozess
Hinzu kommen weitere Punkte wie eine wirklich „angemessene Bezahlung“, auf die Menschen eingehen und Arbeitsbedingungen schaffen, bei denen weniger irgendwann vollkommen ausbrennen, gerade zum Beispiel im sozialen Bereich, in der Pflege usw. Wenn ich weiß, dass ein Unternehmen nur ausbeutet, will ich dort nicht arbeiten.
Ich lebe nicht, um zu arbeiten, bis ich weggeworfen werde, weil ich nicht mehr arbeiten kann.
von Yvonne Hensgen | Aug. 30, 2024 | Bucherscheinung, Karriere, Mental Health, Zukunft
Irgendwie ist es ein seltsames Gefühl, wenn ein Projekt beendet ist, das doch eine gute Weile in Anspruch nahm. Ich habe ein Buch geschrieben, es ist auf Amazon erschienen – und jetzt? Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit, so verrückt es klingt.
Buch geschrieben und Selbstvermarktungsangst
Genau jetzt beginnt der Part, der mir am schwersten fällt. Ich soll und will mich selbst vermarkten bzw. mein Buch, aber obwohl ich nun sogar ein Thema habe, hadere ich mit mir selbst.
Nerve ich zu sehr? Oder bin ich zu zaghaft? Wen darf ich denn eigentlich nerven? Passen die Frage und der Ausdruck „nerven“ überhaupt?
Mein Kopf kennt die Theorie. Andere könnte ich wunderbar beraten, ihnen Mut zusprechen, vielleicht auch sie unterstützen – aber für mich selbst sieht das vollkommen anders aus. Immer wieder halte ich mich selbst klein mit meinen Selbstzweifeln und meiner Selbstkritik. Ich denke, ich laufe nicht Gefahr, „zu stolz“ und überheblich zu werden. Das müsste ich erst einmal üben. 😉
Während ich das tippe, habe ich gleich noch eine weitere Kritik im Kopf: Das schreibt man doch nicht! Menschen stehen auf Helden und nicht auf jemand mit einem Mangel an Selbstwertgefühl.
Glücklicherweise sind die Zeiten vorbei, in denen alle immer nur hach-so-toll nach außen tun mussten, denn dann hätte ich wirklich verloren. …und wer sagt, dass es keine „Heldengeschichte“ ist, wenn man nicht über seinen Schatten springt? Wenn ich immer alles könnte und niemals an mir selbst zweifeln würde, wäre ich 1.) nicht ich, würde ich 2.) niemals dazulernen und wäre 3.) vom Dunning-Kruger-Effekt betroffen.
Fieser „Kater“
Zu allem Überfluss hatte ich neben meinen Zweifeln an mir von Mittwoch bis heute so etwas wie einen „Kater“. Er kam schnur(r)stracks nach der anfänglichen Freude, dass ich endlich das Buch veröffentlicht hatte. Der Kater lautet Depressionsgefahr und strich um meine Beine, aber weniger schmusend, sondern mit dem Hintergedanken, mich zu Fall zu bringen. Irgendwie machte ich weiter, aber zwischendurch ertappe ich mich beim Heulen und leer an die Decke starren.
Ich weiß, dass ich dagegensteuern muss, damit ich nicht wieder abstürze. Ist nur leider nicht so einfach. Es ist leider bei mir so, dass ich nach einer kurzen Freude aufpassen muss, dass die Stimmung nicht ins Gegenteil kippt, das dann aber gleich für x Tage (oder Wochen, Monate…) Oder wenn ich zu wenig geschlafen und zu wenige Pausen gemacht habe. Oder, oder, oder… Nun ja, vielleicht ist der „Kater“ morgen vorbei. Ich hoffe es.
Gerade rief mein Papa an: Sonntag gibt es wieder leckeres Essen von meiner Stiefmutter und vielleicht sogar ein paar Knuddeleinheiten von Lucy, der Katze. Wenn sie will. Spätestens also am Sonntag wird es mir besser bzw. stabiler gehen, ganz sicher.
Buch geschrieben – Reaktionen
Mein Umfeld nimmt es auf jeden Fall sehr positiv auf, dass ich das Buch geschrieben habe. Die ersten Reaktionen reichten von „Wow, die Leseprobe hat mich schon beeindruckt!“ bis hin zu „Finde ich klasse, dass du umsetzt, was du dir vornimmst!“.
Was zu den allerschönsten Reaktionen gehört: Überraschend haben sich einige liebe Menschen bei mir gemeldet, mit denen ich bereits eine gute Weile keinen Kontakt mehr hatte, als ich in meiner WhatsApp-Statusmeldung das Buch zeigte. Sowas übertrifft meine Erwartungen total! Und ich freue mich, wenn ich demnächst mit einigen einen Kaffee trinken gehe oder zum Spazieren treffe.
So oder so – es hat sich gelohnt!
Und du, komischer Kater, gehst jetzt mit mir zocken. Wir haben unseren Kult auszubauen und Abtrünnige zu bekehren…
von Yvonne Hensgen | Juni 15, 2024 | Beruf, Karriere, Zukunft
Ende Mai endete das Coaching zur Selbstständigkeit. Ich vermisse die Gespräche mit Frau Kolz von E.U.L.E. e.V., die mich durch ihre Fragen immer wieder zu mehr Klarheit brachte. Schon seltsam, wenn man es eigentlich umgekehrt kennt (außer in der Therapie). Jetzt geht es für mich an die eigentliche Arbeit, die Vorbereitungen zur Selbstständigkeit. Oder viel mehr: Damit ich mit mit gutem Gewissen und bereits ein wenig im Gepäck selbstständig machen kann.
Die Vorbereitungen zur Selbstständigkeit beginnen
1.) Schreibe das verdammte Buch fertig!
Nein, so extrem ist es nicht, aber mir spukte gerade der Titel eines Buches durch den Kopf. Oder war es ein Artikel, den ich gelesen habe? Hilfe, ich weiß es nicht mehr, ist jetzt aber auch zweitrangig.
Warum das Buch für mich eine Voraussetzung ist?
Ganz einfach: Ich habe Schwierigkeiten, für „mich selbst“ Werbung zu machen, also benötige ich ein Thema oder ein Produkt. Außerdem will ich etwas vorweisen, das über meine Berufserfahrung und das Studium hinaus geht. Ich will etwas, womit ich auch Menschen von meinen Kenntnissen überzeugen kann, die mich nicht kennen. Und womit geht das besser als mit etwas, das man geschaffen hat? Also Lese-, Anschauungsmaterial, ein Gesellenstück oder ähnliches. Mir gibt so etwas Sicherheit und mein Gegenüber kann somit besser einschätzen, ob ich etwas kann oder nur heiße Luft von mir gebe.
2.) Passe die Website an dein Angebot an!
Ja, denn noch erinnert sie mehr an meinen ursprünglichen Wunsch, ein Portfolio als Instructional Designerin zu zeigen. Meine Pläne haben sich geändert, also muss meine Website folgen. Plan: Autorin & Coach* im Bereich Veränderung und Neuanfang.
* Sorry, ich habe immer noch Schwierigkeiten mit dem eingedeutschten „Coachin“. Für mich ist „Coach“ nach wie vor ein englischer Begriff, der dementsprechend nicht gegendert wird. Und das, obwohl ich das Gendern unterstütze! 🙂
3.) Befasse dich endlich mit Social Media!
Außer Pinterest meide ich alle Plattformen (WhatsApp oder Signal zähle ich zu den Messengern). Seitdem mich Facebook erfolgreich davon überzeugt hat, dass zu viele seltsame Menschen mittlerweile zu aktiv Fakenews und anderen Müll verbreiten… *hust* Ja, so ist das mit den Urteilen.
Mittlerweile habe ich zumindest vorsichtig tastend meine Fühler in Richtung LinkedIn ausgestreckt. Scheint mehr nach meinem Geschmack zu sein, zumal sich dort dann auch wieder Fachwissen tummelt. Instagram könnte vielleicht noch in Frage kommen, wenn ich mich mehr auf Pins & co konzentriere.
Ich bin lerne. 😉
4.) Lerne 10-Finger-Schreiben!
Okay, nicht die Nummer 1 auf meiner Liste. Doch wenn ich künftig viel mehr Schreiben will, dann geht es vielleicht mit zehn Fingern schneller, obwohl ich dank eines Text-Multiuserdungeons in alten Zeiten (autsch, über 20 Jahre her!!!) schnell tippen lernte. Naja, zu langsam und mein Charakter starb, das ist schon ein guter Lernanreiz für mich. Gibt es Lernspiele fürs 10-Ginger-Schreiben? Muss mich gleich einmal erkundigen.
Und muss das vorher sein? Vielleicht ist es sinnvoller, erst das Buch zu beenden und dann damit zu beginnen, da ich am Anfang garantiert erst einmal sehr viel langsamer als jetzt sein werde.
5.) Lerne die Grundlagen des Newsletter-Marketings!
Das war vorher auch kein Thema für mich, obwohl ich sogar einige Newsletter abonniert habe. Wenn ich nach mir selbst gehe, dann sind mir seltenere Newsletter lieber, die mir dafür aber ordentlichen Inhalt bieten. Ich denke, das ist für mich schon einmal der wichtigste Punkt: Ich will nicht zuspammen. Schon gar nicht mit einem ständigem „kauf dies“, „kauf das“, „buche blablabla“. Sobald ein Unternehmen oder eine Person damit beginnt, bin ich weg. Und ich gehe einfach mal davon aus, dass es sehr vielen Menschen so geht. Lieber Qualität statt Quantität!
Trotzdem sollte es eine Einladung sein, ein Buch zu kaufen oder mich als Coach zu buchen… Schwierig. Ich glaube, die Grenze zwischen charmant beworben und gespamt ist teils fließend.
Das Erstellen eines Newsletters verschiebe ich aber ein wenig nach hinten. Es genügt mir bei den Vorbereitungen zur Selbstständigkeit, wenn ich erst einmal Informationen darüber sammele und die anderen Punkte erledige. Der Newsletter kann ein wenig warten.
Weitere Vorbereitungen zur Selbstständigkeit
- Blog aufbauen / Blogfahrplan
- Newsletterfahrplan (zumindest Ideen sammeln)
- Preise recherchieren
- Verträge verschiedener Buchplattformen ansehen
- Messetermine recherchieren
- Welche Frauennetzwerke gibt es hier in der Gegend?
- Welche Frauennnetzwerke im Internet?
- Kontakte aufbauen – online!!! (…und das außerhalb von irgendwelchen Spielen!!!)
- Obsidian weiter befüllen
(ist mein digitales zweites Gehirn, neben all den zweiten Gehirnen wie Notizbücher und der Ideenbox)
- Style Website / Buchcover / Social Media-Templates etc. festlegen
…und was mir noch so alles einfällt
von Yvonne Hensgen | Mai 12, 2024 | Beruf, Karriere, Zukunft
Soll ich mich wirklich selbstständig machen? Mein Bauch sagt ja, der Kopf stimmt meistens zu. Mein inneres Mecker-Kritiker-Etwas dagegen tobt und erklärt mir, dass ich mich damit gnadenlos überschätze. Wie ehrlich bin ich zu mir selbst bei meinem Vorhaben? (Egal, in welche Richtung.) Bringt mir die Ehrlichkeit zu mir selbst endlich die Klarheit und ein ganz festes „ja, ich mach’s“ und mein inneres Meckerlein gibt mal endlich Ruhe?
Innere Gründe (Motivation) dafür
- freie Zeiteinteilung
- von zuhause arbeiten (Homeoffice) –
aber auch theoretisch von überall, wo ich will
- Arbeitswege entfallen
- selbst entscheiden, für wen ich arbeiten will
- selbst entscheiden, in welche Richtung es gehen soll
- Stärken bzw. Vorlieben ausleben:
schreiben, Website und E-Learnings basteln, recherchieren und Neues lernen, weiterentwickeln…
- Coaching via Webcam von Menschen, die wirklich ein Coaching wünschen
(Ja, daran merkt man, dass ich zu lange in irgendwelchen Maßnahmen des Jobcenters als „Jobcoach“ und dergleichen arbeitete. Es war ein Krampf für alle Seiten, wenn es auf Zwang fußte, auch wenn ich mit den meisten „Teilnehmenden“ wirklich gut auskam.)
- nicht (mehr) im sozialen Bereich arbeiten, dafür fühle ich mich nicht mehr stark genug
- konzentriert das tun, was mir wichtig ist (siehe Stärken und Vorlieben)
- mich wirklich darauf konzentrieren und da dran bleiben können (siehe freie Zeiteinteilung)
- das Gefühl haben, etwas Sinnvolles zu tun statt immer nur gepredigt zu bekommen, wie sinnvoll angeblich irgendwas ist
- selbst entscheiden, wann ich mit Menschen arbeite und wann nicht, weil ich dann z. B. schreibe
- war bereits Freiberuflerin, kenne mich mit Buchhaltung aus…
- Okay, alleine beim Gedanke an die Jobs, die alternativ auf mich warten, bekomme ich Horrorvorstellungen. Ich mag Kinder, aber ich in einer Kita…??? Oder an einer unserer Problemschulen? Wieder in irgendwelchen Maßnahmen? Dieses Umfeld trug mit dazu bei, dass irgendwann gar nichts mehr ging. Seitdem ist mein Akku sehr schnell geleert.
- Wenn ich mir dagegen ansehe, womit ich mich selbstständig machen will, fühlt sich das gut an. Machbar!
Es gibt also viele Gründe, was dafür spricht. Die „will ich nicht mehr“-Gründe sind vorhanden, aber in der Unterzahl.
Wären es zu viele davon gewesen, dann wäre eine andere Ehrlichkeit zu mir selbst notwendig gewesen, um an Klarheit zu gewinnen: Wieso will ich vieles nicht, kann aber gar nicht sagen, was ich will?
Innere Gründe (Motivation, Zweifel) dagegen
- Niemand verspricht mir, dass ich jeden Monat meine Miete zahlen kann.
- Zweifel, ob ich mich nicht selbst überschätze
- habe Schwierigkeiten, mich selbst zu vermarkten (die Theorie kenne ich)
- Ich habe ganz schlicht und einfach Angst, dass ich scheitern könnte. Obwohl ich das doch auch perfekt mit Job kann, oder? 😉
Interessant dabei ist eher, dass mein Meckerlein nicht konkret irgendetwas nennen kann:
Wie überschätze ich mich? Wobei?
Klarheit – kann ich das wirklich? Bin ich ehrlich zu mir selbst?
Ich schreibe bereits mein zweites Buch, dieses Mal einen Ratgeber. Ja, ich kämpfe zwischendurch mit Blockaden. Schräg ist es, wenn ich nach jeder Blockade feststelle, dass da scheinbar nur ein Puzzlestück fehlte, das ich erst suchen musste. Aber scheinbar kann ich schreiben, das wurde mir sogar schon von anderen bestätigt. Ich kann gezielt recherchieren – was bei vielen Punkten hilft.
Während des Bootcamps lernte ich, wie man E-Learnings erstellt. Ich habe Unterrichtserfahrung und weiß, wie ich etwas möglichst klar erkläre. Dank meiner Computerspielerfahrung weiß ich ja sogar, wie ich einem Learning kleine Spielelemente hinzufügen kann. Und ich gehöre zu den Verrückten, die einfach so aus Spaß Bild-KIs nerven, mit Bildbearbeitungsprogrammen herumspielen, überhaupt verschiedene Software einfach mal austesten…
Unterrichtserfahrung, gearbeitet als pädagogische Kraft und als Jobcoach… Außerdem stapeln sich hier die Coaching-Bücher und das nicht erst seit meinem Studium. Meine Bachelorarbeit behandelte sogar das Thema „Coaching“. Also… hmmm…. Hmmmmmm? *in Richtung des Meckerleins zu schielen versuch* Es sagt gerade nichts mehr. Warum?
Schwierig ist für mich der Punkt Selbstvermarktung. Ich hoffe, dass es mir leichter fällt, sobald das Buch fertig geschrieben und veröffentlicht ist, denn dann habe ich ein „richtiges“ Thema und nicht mich selbst als Thema.
Zumindest hat diese Auflistung hier mir selbst mehr Gewissheit gebracht. Auch wenn ich in Punkto Ehrlichkeit zu mir selbst am liebsten immer wieder das mit dem kaputten Akku ausblenden würde, es gehört zur Klarheit hinzu: Was kann ich leisten? Kann ich das leisten, was notwendig ist?
Im Moment kann ich keinen 40 Stunden-Job nonstop unter Menschen, die verschiedene Schwierigkeiten (auch sehr gravierende!) haben, durchziehen. Es wird immer so getan, als ob das ja nicht Sache der Dozent*innen wäre, aber wir sind doch nicht alle taub, blind, empathie- und emotionslos! Unsere Teilnehmenden sind immer auch ein klein wenig unsere Schäfchen, denen wir weiterhelfen wollen. Als (sozial-)pädagogische Kraft würde das ohnehin Berufsalltag sein. Dafür fühle ich mich nicht mehr in der Lage.
Aber anderen zuhören, ihnen weiterhelfen, vielleicht auch nur, indem ich ihnen dir richtigen Fragen stelle? Versuchen, Menschen aufzubauen und Mut zu machen? Das mag ich schon.
Und jaaaaaaaaa… ich liebe meinen Laptop und meinen PC! Was würden die bloß tun, wenn ich den ganzen Tag woanders wäre und dann heimkäme, total müde und ausgelaugt und zu gar nichts mehr fähig? Also nein, das kann ich meinen beiden Schätzchen doch nicht antun, oder? 😉
von Yvonne Hensgen | Mai 1, 2024 | Beruf, Karriere
In privaten Gesprächen, bei Vorstellungsgesprächen und so weiter stoße ich immer wieder auf die gleichen Vorstellungen, was ich da studiert habe. Das Studienfach lautet Erziehungswissenschaft. Eigentlich müsste spätestens beim Lesen meines Schwerpunktes „Lebenslanges Lernen und Medienbildung“ klar sein, dass ich weder eine Erzieherin bin noch eine Sozialarbeiterin oder -pädagogin. Doch scheinbar ist dem nicht so.
Wieso ist eine Erziehungswissenschaftlerin keine Erzieherin?
Der Universitätsstudiengang Erziehungswissenschaft beschäftigt sich mit der Erziehung und Bildung von Menschen in unterschiedlichen Bereichen und verschiedenen Kontexten. Erziehung und Bildung geschieht ständig. Wir lernen und lehren ständig, werden bereits als Kinder sozialisiert, können uns aber auch als Erwachsene an verschiedene Gegebenheiten anpassen und uns im Grunde bis zum Tod weiterentwickeln.
Zu den Grundlagen des Studiums gehört die Entwicklungspsychologie. Wobei zwar auch die Kindheits- und Jugendphasen untersucht werden, aber ebenso die Entwicklung von Erwachsenen. Eine Erzieherin hingegen erhält eine praxisorientierte Ausbildung, die speziell darauf abzielt, Kinder im Alter von etwa 0 bis 6 Jahren in ihrer Entwicklung zu unterstützen.
Während Erziehungswissenschaft sehr viel Theorie rund um Bildung und Entwicklung beinhaltet, vermittelt die Erzieherausbildung praktische Fähigkeiten in der Kinderbetreuung und -förderung. Zum Beispiel das Planen und Durchführen von pädagogischen Aktivitäten, das Fördern sozialer Kompetenzen, die Unterstützung der Entwicklung neines Kindes sowie die Zusammenarbeit mit Eltern. Das Wissen ist stärker auf die unmittelbare pädagogische Praxis und den Alltag im Kindergarten ausgerichtet.
Ebenso zur Erziehungswissenschaft gehören Erkenntnisse und Theorien aus der Soziologie, Bildungspolitik und -philosophie. Studierende erwerben analytische Fähigkeiten und lernen, Bildung aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven zu betrachten. Das Studium umfasst außerdem Forschungsmethoden. Das ermöglicht den Absolvent*innen, empirische Studien durchzuführen und Bildungssysteme oder -prozesse zu analysieren.
Kurz: Erziehungswissenschaftler*innen sind viel theoretischer aufgestellt und weniger auf den Punkt ausgebildet, um Kinder zu fördern.
Das heißt natürlich nicht, dass sich jemand vieles aneignen kann oder keine Empathie hat, was zu den notwendigen Softskills gehört. Es ist nur einfach so, dass die Ausbildung bzw. das Studium zwei verschiedene Paar Schuhe sind, die vielleicht in einigen Merkmalen übereinstimmen.
Was unterscheidet die Erziehungswissenschaft von der Sozialpädagogik?
Erziehungswissenschaft: Studium an einer Universität
Sozialpädagogik: Studium an einer Fachhochschule
Schade, dass es sich immer noch nicht herumgesprochen hat: Ein Studium an einer Uni ist viel theorie- und forschungslastiger als ein Studium an einer FH. Das ist schon der erste wichtige Unterschied, den man auch oft in der Berufspraxis bei Anfängern feststellt. Viele Berufsanfänger, die eine FH besucht haben, sind schneller „einsatzbereit“. Viele (nein, lange nicht alle!) Universitätsabsolventen benötigen dagegen erst einmal eine Art Eingewöhnungszeit und viel Erklärung. Außer natürlich, es geht um Forschung. Dann haben die Uni-Abgänger die Nase vorne.
Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik sind beide akademische Disziplinen, die sich mit Bildung, Erziehung und sozialen Prozessen beschäftigen. Aber sie haben unterschiedliche Schwerpunkte und Zielsetzungen.
Die Erziehungswissenschaft ist stärker analytisch ausgerichtet, sie befasst sich mit allgemeinen Bildungs- und Erziehungsprozessen in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten. Erziehungswissenschaftler*innen untersuchen Bildungssysteme und entwickeln Bildungs- und Erziehungstheorien. Sie führen empirische Forschungsarbeiten durch, um Bildungsprozesse zu verstehen und zu verbessern. Es handelt sich um eine breite Disziplin, die Erkenntnisse aus verschiedenen Fachbereichen wie Psychologie, Soziologie, Philosophie und Geschichte nutzt.
Sozialpädagogik ist stärker praxisorientiert. Sie konzentriert sich auf die Unterstützung und Förderung von Menschen in schwierigen Lebenslagen. Sozialpädagog*innen arbeiten direkt mit Menschen (auch ganzen Familien), die besondere soziale Unterstützung benötigen. Die Sozialpädagogik kombiniert erzieherische Ansätze mit sozialen Maßnahmen, um Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen und ihre soziale Integration zu fördern.
Warum wird Erziehungswissenschaft oft mit Sozialpädagogik gleichgesetzt?
Es gibt bei der Erziehungswissenschaft Schwerpunkte wie zum Beispiel die Sonderpädagogik, die den Inhalten eines sozialpädagogischen Studiums mehr ähneln. Aber es gibt auch Schwerpunkte, wie zum Beispiel mein Schwerpunkt Lebenslanges Lernen und Medienbildung, die weiter davon entfernt sind.
Aneignen kann man sich natürlich vieles, aber einfach mal vorauszusetzen, dass ein Mensch, der Erziehungswissenschaft studiert hat, alle möglichen Gesetze rund um die Inobhutnahme von Kindern etc. kennt, obwohl nicht einmal Schwerpunkt oder Beifach (bei einem Zwei-Fach-Bachelor) darauf hindeuten, ist einfach nur… gar nicht informiert.
Warum trotzem eine Erziehungswissenschaftlerin in sozialpädagogischen Kontexten arbeiten kann? Nun, einmal durch den Schwerpunkt. Genauso kann es auch an der Praxiserfahrung liegen, die jemand während des Studiums gesammelt hat. Es gibt ja einige Überschneidungen bei den theoretischen Kompetenzen. Ebenso natürlich auch am Interesse, an…
Ach, halt! Das interessiert bei Stellenausschreibungen ja alles nicht wirklich, oder? Immerhin könnte ich mit einem anderen Studienabschluss ja auch nicht einfach so als Sozialpädagogische Kraft arbeiten, oder?
Das ist vermutlich der wichtigste Grund dabei: Es gibt in vielen Bereichen der sozialen Arbeit, insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe, einen hohen Bedarf an Fachkräften.
(Dass diese Fachkräfte regelrecht ausgenutzt, überlastet und im Grunde völlig unterbezahlt werden, was zum Mangel beiträgt, ist für Politik und Arbeitgeber nicht einmal zweitrangig. Notfalls müssen mehr Abschlüsse gleichgesetzt werden oder Fachkräfte aus dem Ausland kommen… Sorry, so viele wie ich während meiner Reha-Aufenthalte kennenlernte, herrscht da meiner Meinung nach kein echter Fachkräftemangel. Eher ein Mangel an weiterem Humankapital zum Verheizen.)
Da Sozialpädagogik und Erziehungswissenschaft in einigen Bereichen ähnliche Qualifikationen vermitteln, werden Erziehungswissenschaftlerinnen oft als geeignete Kandidatinnen angesehen, um diese Lücken zu füllen.
Mehr über das Studium der Erziehungswissenschaft kannst du auf der Seite meiner ehemaligen Universität erfahren. Hier sind sogar beide Schwerpunkte genannt:
https://www.studienbuero.erziehungswissenschaft.uni-mainz.de/bachelor-erziehungswissenschaft-po-2019/
Mein Schwerpunkt: Lebenslanges Lernen und Medienbildung
Auf der Uni-Seite werden sogar verschiedene mögliche Einsatzort für meinen Schwerpunkt aufgeführt. Hier eine Auswahl:
- Politische Erwachsenenbildung
- Betriebliche Aus- und Weiterbildung, überbetriebliche Weiterbildung
- Personal-/Organisationsentwicklung
- Bildungsberatung
- Medienpädagogische Einrichtungen, auch was den Kinder- und Jugendschutz betrifft
- TV-Sender, Verlage
- Forschung (klar, wäre jetzt seltsam, wenn nicht)
- Digitale Öffentlichkeitsarbeit
Ich finde es gerade lustig, dass nur „E-Learning“ dort steht. Genauer ist eigentlich, E-Learning-Konzepte erstellen und Erfolgskontrolle, so wie es bei der Produktion von Bildungsmedien der Fall ist. Ob die Erziehungswissenschaftler*innen diese wirklich erstellen, also zum Beispiel E-Learnings mit Articulate Storyline oder anderem produzieren, ist nochmal eine andere Sache.
Naaaaa, sieht das immer noch so sehr nach Erzieherin oder Sozialpädagogin aus?