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Von der Neugier zum Level-Up!

Lernen ist ein Abenteuer.
Werde zur Heldin deines eigenen Wissensuniversums!

Der überfüllte Kleiderschrank des Wissens: „Ich habe so viel, aber irgendwie passt nichts!“

Der überfüllte Kleiderschrank des Wissens: „Ich habe so viel, aber irgendwie passt nichts!“

Viel hilf nicht viel

Kennst du das Gefühl, vor einem übervollen Kleiderschrank zu stehen und trotzdem nichts Passendes zum Anziehen zu finden? So geht es einigen auch mit ihrem angesammelten Wissen. Viele Menschen horten Unmengen an Wissen in Form von Büchern, Artikeln, Online-Kurse, Podcasts, doch wenn es darauf ankommt, finden sie nichts oder wissen nicht, wie sie es anwenden sollen.

Das Problem: Wissen anhäufen ohne Struktur

  • Zuviel, zu unstrukturiert:
    Neues Wissen wird oft wie ein Shoppingrausch konsumiert. Hier ein Artikel, dort ein Buch, ein Video nebenbei. Das kann auch ein Klickmarathon durch die Wikipedia sein. Doch ohne System geht der Überblick verloren.
  • Wissen ohne Anwendung:
    Gelesen, gespeichert, aber nie wirklich genutzt? Dann bleibt Wissen eine theoretische Anhäufung ohne Praxisbezug.
  • FOMO, die Angst, etwas zu verpassen:
    Viele sammeln Wissen aus Angst, nicht genug zu wissen, doch dadurch entsteht eine Art Wissensmessie-Syndrom.

Auch Bulimie-Lernen führt zum überfüllten Wissens-Kleiderschrank

  • Schnell rein, schnell raus:
    Wissen wird kurzfristig für Prüfungen oder Diskussionen „hineingestopft“, aber nicht langfristig behalten.
  • Kein echtes Verstehen:
    Es bleibt oberflächlich und wird nicht mit anderen Erkenntnissen verknüpft.
  • Vergessen nach der „Prüfung“:
    Genau wie ungetragene Kleidung, die im Schrank verstaubt, wird das Wissen nach der „Nutzung“ wieder aussortiert. Oder es bleibt teilweise, ist aber nur noch in Fragmenten vorhanden und passt nicht mehr zu all dem anderen Zeug im Kopf.
Bulimie-Lernen ist, als würde man einen Haufen Klamotten für einen einzigen Anlass kaufen, sie einmal tragen und danach nie wieder anziehen. Es bleibt nichts langfristig im Kleiderschrank oder es ist da drin, passt nicht zu anderem, verdeckt den Blick auf die anderen Teile… Bulimie-Wissen verpufft genauso schnell wieder oder ist genauso wenig langfristig verwendbar wie dieser Haufen Klamotten.

Die Folge: Das Wissenschaos

  • Widersprüchliche Informationen:
    Ohne klare Struktur geraten alte und neue Erkenntnisse in Konflikt.
  • Keine schnelle Abrufbarkeit:
    Wenn alles wild gespeichert ist, kann man es im entscheidenden Moment nicht finden.
    (Blackout bei Prüfungen zum Beispiel)
  • Paralyse durch Analyse:
    Zu viel Input führt dazu, dass Entscheidungen schwieriger fallen, weil man sich in Details verliert.
Wissenschaos

Wie man den Wissens-Kleiderschrank aufräumt

  • Themen-Schubladen anlegen:
    Wissen in sinnvolle Kategorien ordnen, z. B. nach Themen oder Anwendungsbereichen.
  • Kombinierbare Wissensstücke finden:
    Erkenntnisse verknüpfen, anstatt sie isoliert zu betrachten. Das ist auch einer der Gründe, weshalb manches an neuem Wissen leichter zu lernen ist: Es wird mit bereits vorhandenem Wissen verknüpft.
  • Regelmäßig ausmisten:
    Ältere oder überholte Informationen loslassen, um Platz für Neues zu schaffen. „Verlernen“ also.
  • Vom Wissen zur Anwendung:
    Theorie allein reicht nicht. Nutze das Wissen aktiv, um es zu festigen.

Fazit: Wissen ist wertvoll – wenn man es nutzt

Es geht nicht darum, möglichst viel Wissen zu besitzen, sondern darum, es effizient zu organisieren und anwendbar zu machen. Ein überfüllter Kleiderschrank mag beeindruckend aussehen, aber was nützt er, wenn nichts wirklich zusammenpasst? Oder wenn man die passenden Teile nicht findet?

Zum Weiterlesen über das persönliche Wissensmanagement:

Der Goldfisch-Effekt: „Habe ich das nicht schon mal gehört?“

Der Goldfisch-Effekt: „Habe ich das nicht schon mal gehört?“

Die Bubble als Goldfischglas

Goldfische haben angeblich eine Aufmerksamkeitsspanne von nur wenigen Sekunden. Das ist zwar ein Mythos, aber der moderne Mensch schlägt diesen Mythos inzwischen locker. Zumindest wenn man einem neuen Mythos glaubt. Und dank Social Media, Reizüberflutung und algorithmischer Filterblasen sind viele Menschen gefangen in einem ständigen Kreislauf von sich selbst verstärkenden Informationen. Jeder lebt in seiner eigenen kleinen Informationsblase, die perfekt an die eigenen Vorlieben angepasst ist. Wer einmal in einem bestimmten Themenspektrum durch seine Klicks angekommen ist, bekommt automatisch mehr davon – unabhängig davon, ob die Informationen korrekt oder völlig daneben sind. Das ist, als würde ein Goldfisch in einem Glas schwimmen, das nur mit einer einzigen Sorte von Futter gefüllt ist. Selbst wenn draußen eine riesige Welt voller anderer Perspektiven existiert, der Goldfisch sieht und bekommt immer nur das Gleiche.

Warum Fake News so gut funktionieren

  • Der Wiederholungseffekt:
    Je öfter wir eine Aussage hören, desto wahrer erscheint sie uns. Selbst wenn sie völliger Unsinn ist.
  • Bestätigung statt Widerspruch:
    Die Algorithmen liefern uns genau das, was wir hören wollen. Widersprüchliche Fakten? Werden ausgefiltert.
  • Die Illusion der Mehrheit:
    Wenn alle in der Bubble das Gleiche sagen, muss es doch stimmen, oder?
  • Emotion schlägt Logik:
    Schlagzeilen, die Wut oder Angst auslösen, verbreiten sich schneller als nüchterne Fakten. Das Gehirn speichert sie besonders gut ab.
  • Stärkere Gewichtung von Negativem:
    Was früher ein Überlebensinstinkt war, wird schon seit langem gerne von Zeitungen, Populisten und den Verbreitern von Fake-News ausgenutzt. Es entsteht ein „Negativity Bias“, durch den „alles“ plötzlich negativer erscheint als es eigentlich ist.
Mensch im Goldfischglas

Die Folgen des Goldfisch-Effekts

  • Menschen hinterfragen nicht mehr, woher eine Information stammt. Hauptsache, sie klingt vertraut.
  • Diskussionen zwischen verschiedenen Gruppen werden unmöglich, weil jede Seite nur ihre eigene Realität kennt.
  • Manipulation durch Fake News und Propaganda funktioniert besser als je zuvor.

Was kann man dagegen tun?

  • Neues Futter ins Glas lassen:
    Ab und zu bewusst andere Perspektiven lesen, auch wenn sie unbequem sind.
  • Skepsis bewahren:
    Nur weil man etwas oft gehört hat, heißt das nicht, dass es stimmt.
  • Fakten checken:
    Seriöse Quellen nutzen, bevor man eine Information weiterverbreitet. Wissenschaftliche Quellen sind, entgegen der Behaupungen von Populisten und Verschwörungserzählern, seriös. Werden der Versuchsaufbau, Anzahl der Stichproben usw. nicht genannt bzw. die Vorgehensweise nicht begründet, wird eine Quelle nicht als „wissenschaftlich“ in der Wissenschaft anerkannt. Das fällt allenfalls unter Pseudo-Wissenschaft.
  • Den Algorithmus überlisten:
    Durch gezielte Suche nach anderen Meinungen dem Goldfischglas entkommen.

Zum Weiterlesen

Der Toastbrot-Effekt: „Ich bin doch schon Kuchen!“

Der Toastbrot-Effekt: „Ich bin doch schon Kuchen!“

Warum manche Menschen glauben, schon alles zu wissen

Kaum zu glauben, aber leider wahr: Es gibt Menschen, die meinen sie wüssten bereits alles, hätten bereits genug gelernt usw. Diese Menschen sind wie Toastbrot, das überzeugt ist, bereits ein köstlicher Kuchen zu sein. Sie sehen sich als fertig gebacken, während sie in Wahrheit nur mit einem bisschen Marmelade bestrichen wurden. Höchstens, oft ja nicht einmal mit ein wenig Butter. Und wehe, jemand schlägt vor, noch ein bisschen Sahne oder Schokolade hinzuzufügen, dann wird das Toastbrot wütend! Doch warum ist das so?

Die Illusion des vollständigen Wissens

Der „Toastbrot-Effekt“ beschreibt jene Menschen, die denken, bereits alles zu wissen, und daher keine neuen Informationen aufnehmen. Dieses Phänomen ist nicht nur ärgerlich im Alltag, sondern hat auch tiefere psychologische Ursachen. Eine der bekanntesten Erklärungen liefert das Dunning-Kruger-Syndrom: Menschen mit wenig Wissen oder Erfahrung überschätzen oft ihre Kompetenz, weil ihnen das Wissen fehlt, um ihre eigenen Lücken zu erkennen. Gleichzeitig unterschätzen Experten oft ihre Fähigkeiten, weil sie sich der Komplexität eines Themas bewusst sind. Experten denken also oft, sie wären Toastbrot, obwohl sie tatsächlich die Kuchen sind.
Toastbrot

Das IKEA-Sofa der Meinung

Ein weiteres verwandtes Phänomen ist der sogenannte „IKEA-Effekt“.
Menschen bewerten Dinge höher, wenn sie selbst Arbeit hineingesteckt haben, selbst wenn das Ergebnis objektiv nicht besonders gut ist. Wer sich also einmal eine Meinung „zusammengebaut“ hat, wird sie ungern in Frage stellen. Das führt dazu, dass manche Menschen ihre festgefahrenen Überzeugungen fast schon wie eine Identität verteidigen.

Kognitive Dissonanz und die Angst vor Veränderung

Wenn neue Informationen nicht zu dem passen, was man bereits glaubt, erzeugt das ein unangenehmes Spannungsgefühl, das als „kognitive Dissonanz“ bezeichnet wird. Die einfachste Lösung? Die neuen Informationen einfach ignorieren oder umdeuten. Das erklärt, warum manche Leute, selbst wenn sie nachweislich im Unrecht sind, trotzdem an ihrem Standpunkt festhalten. So, als ob ihr Toastbrot wirklich ein Kuchen wäre bzw. sie selbst statt Toast Kuchen.

Wie kann man mit Toastbrot-Menschen umgehen?

  • Neugier statt Konfrontation:
    Wenn jemand glaubt, schon alles zu wissen, hilft es selten, frontal anzugreifen. Besser ist es, durch Fragen Zweifel zu säen:
    „Hast du schon mal diesen Punkt betrachtet?“ „Warum ist das so und…“
  • Wertschätzung für kleine Lernfortschritte:
    Manchmal reicht es, wenn das Toastbrot wenigstens eine Prise Zimt akzeptiert. Sahne und Schokolade kommen später.
  • Humor und Geduld:
    Menschen ändern ihre Überzeugungen selten sofort. Ein guter Witz über das eigene Unwissen kann manchmal Wunder wirken. Das eigene, nicht das der Person, denn das könnte als Angriff gewertet werden.

Weiterführende Links und Quellen

Dunning-Kruger-Effekt (Wikipedia) Kognitive Dissonanz (Geo Wissen) Der IKEA-Effekt und die Bedeutung von Eigenleistung (Online-Enzyklopädie für Psychologie & Pädagogik) Wer also das nächste Mal auf jemanden trifft, der behauptet, schon alles zu wissen, kann sich fragen: Handelt es sich hier um einen reich verzierten Kuchen oder einfach nur um ein Toastbrot mit Marmelade? Text: erstellt mit Hilfe von ChatGPT
Das Problem mit der Selbstoptimierung

Das Problem mit der Selbstoptimierung

„Wie du produktiver wirst“, „Leiste mehr in 24 Stunden“, „So strukturierst du deinen Tag richtig und schaffst 90 % mehr“, „Mit Biohacking holst du das Optimum aus dir heraus“.

Klingt bekannt?

Wir rennen durch den Tag, jonglieren zig Aufgaben, geben immer unser Bestes – und in unserer Freizeit? Selbstoptimierung statt Erholung! Schließlich können wir doch nicht einfach nur faul vor der Glotze versacken. Da geht doch noch was! Noch ein Buch über Produktivität, noch ein Podcast über Zeitmanagement, vielleicht ein Selbstexperiment mit Biohacking?
Mehr, mehr, mehr und noch mehr. Anstatt dann irgendwann einfach nur zu schlafen, wollen wir den dann auch noch optimieren.

Diesen Wahnsinn kenne ich nur zu gut.

Schlafoptimierung

Neben einer Vollzeitstelle schrieb ich meine Bachelorarbeit – und fand das normal. In meinen Regalen stapeln sich noch immer Bücher über Zeitmanagement, Prokrastinationsvermeidung, Selbstdisziplin und Willenskraft mit Methoden für alles, von der perfekten Morgenroutine bis zur effizientesten Art, Kaffee zu trinken. (Okay, das mit dem Kaffee nicht, aber fast.)

Trotzdem fühlte ich mich niemals fleißig genug. Wenn ich abends fix und fertig ins Bett fiel, war da immer dieses Gefühl: „Hätte ich nicht noch etwas mehr schaffen können?“ Und wenn ich mir einfach mal eine Pause gönnte, Computerspiele statt To-Do-Listen, kam sofort das schlechte Gewissen: „Faulheit!“

Doch stimmt das überhaupt? Können wir wirklich immer besser und produktiver werden? Wo liegt die Grenze zwischen gesunder Weiterentwicklung und Selbstzerfleischung? Wann wird Selbstoptimierung zur Belastung?

1. Woher kommt dieser Drang, immer besser zu werden?

Die Idee, dass wir uns ständig optimieren müssen, kommt nicht aus dem Nichts. Sie ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt – von der Leistungskultur über die Vergleichskultur bis hin zur Psychologie des Erfolgsgefühls.

Unsere Leistungsgesellschaft: Mehr Produktivität = mehr Wert

Der Gedanke, dass ein Mensch nur dann wertvoll ist, wenn er ständig etwas leistet, erinnert stark an die protestantische Arbeitsethik, besonders an den rigiden Pflichtgedanken von Johannes Calvin. Der Soziologe Max Weber bezeichnete ihn auch deshalb als den Vater des Kapitalismus.

Das Prinzip: Arbeit ist heilig, Faulheit ist Sünde.

Und auch wenn wir heute in einer weitgehend säkularen Welt leben, steckt dieses Denken immer noch in uns. Unser Wert scheint daran gekoppelt, wie viel wir schaffen, wie produktiv wir sind – und wie effizient wir unser Leben gestalten.

Gesellschaftlicher Druck und Vergleichskultur

„Schau, was ich geschafft habe!“
Auf Social Media präsentieren Menschen ihre Erfolge, ihr perfektes Zeitmanagement, ihre durchoptimierten Morgenroutinen. Was nicht gezeigt wird:

  • Die negativen Erlebnisse
  • Die Überforderung, die oft dahintersteckt
  • Die Kredite oder Schulden, die oft dazugehören

Glücklicherweise ändert sich das langsam. Aber über Jahrzehnte wurde vor allem das Ergebnis, nicht der Weg dorthin gezeigt, interessierte scheinbar auch keinen. Auch vor dem Social-Media-Zeitalter, was viele Kritiker vergessen. „Was? Der Nachbar hat einen neuen Mercedes? Jetzt muss ich aber mindestens mit einem Pool aufwarten! Oder einem Porsche! Oder beidem?“ Wer nicht mithalten kann, fühlt sich automatisch unzureichend.

Vergleichsdenken gab es schon immer – sei es im Kollegenkreis, im Freundeskreis oder in der Gesellschaft. Aber die Digitalisierung hat das permanente Schaufenster für Erfolge verstärkt.

Die „Produktivitätskultur“ und die Selbstoptimierungsindustrie

Wer profitiert eigentlich davon, dass wir uns nie gut genug fühlen?

  • Der Boom von Selbsthilfe-Büchern, Coachings und Online-Kursen ist kein Zufall.

  • Hunderte Ratgeber versprechen „die perfekte Methode“ für mehr Produktivität.

  • Zeitmanagement-Experten und Selbstoptimierungs-Gurus verdienen daran, dass wir glauben, unser Leben sei nicht effizient genug. Und wenn es nicht im Office ist, dann wenigstens im spirituellen Bereich. Ommmmm!

Interessant ist, dass ausgerechnet der „Zeitmanagement-Papst“ Lothar Seiwert mittlerweile weniger über Effizienz und mehr über Balance und Selbstbestimmung spricht. Warum? Weil er gemerkt hat, dass Menschen sich immer weiter optimieren – und dann nur noch mehr Arbeit bekommen, statt mehr Freiheit. Etwas läuft hier also gewaltg schief.

Außerdem:
Das Hamsterrad bleibt ein Hamsterrad, egal, wie gut man darin läuft.

Die Psychologie hinter der Selbstoptimierung

Warum fühlt sich Selbstverbesserung kurzfristig gut an?

Jeder kleine Erfolg schüttet Dopamin aus und unser Belohnungssystem wird aktiviert.
Die Kontrolle über den eigenen Fortschritt gibt uns das Gefühl von Macht und Stabilität.

„Ich verbessere mich = Ich wachse“, das klingt erstmal gesund, oder?
Aber warum fühlen wir uns trotzdem nie genug?

Viele von uns besitzen (leider) ein leistungsabhängiges Selbstwertgefühl: Unser Wert scheint davon abzuhängen, wie viel wir tun. Wir wollen (müssen) viel erreichen, um wenigstens einen Moment mit uns zufrieden zu sein. Wir paaren Perfektionismus mit Selbstkritik und der „notwendigen“ Selbstoptimierung.
Doch leider ist es hier so wie mit vielem: Es kommt zu einer Anpassung, einer neuen Normalität, wie bei einer Sucht. Je mehr wir erreichen, desto höher setzen wir die Messlatte.

Hinzu kommt die Illusion der Kontrolle: Wir denken, wenn wir uns nur genug optimieren, haben wir unser Leben „im Griff“. Doch das ist eine Falle – denn das Leben bleibt unberechenbar.

Wissenschaftliche Perspektive: Was sagen Soziologen dazu?

Bei meiner Recherche fand ich ein spannendes Interview mit der Soziologin Anja Röcke sowie einen Artikel über ihr Buch in der Zeitschrift „Psychologie Heute“.
Laut der Soziologin Anja Röcke ist Selbstoptimierung nicht nur ein individueller Drang. Sie entsteht durch eine Kombination aus Kultur, Wirtschaft und Technologie:

Kulturelle Faktoren:
Körper- & Fitnesskult, Exzellenzdenken
Individualisierung („Mach was aus deinem Leben!“)
Therapeutische Kultur („Verbessere nicht nur deine Krankheit, sondern dich selbst!“)

Ökonomische Faktoren:
Flexibilisierung & Unsicherheiten im Arbeitsmarkt (Wer sich nicht optimiert, fliegt raus)
Selbstoptimierung als Überlebensstrategie gegen soziale Unsicherheit

Technologische Faktoren:
Digitalisierung und daraus resultierend permanente Verfügbarkeit
Selbstvermessungstools (Fitness-Tracker, Apps)
Social Media (Vergleich mit inszenierten Erfolgen)

Interessant finde ich den Hinweis, dass der Begriff „Selbstoptimierung“ vor allem in der deutschsprachigen Nachkriegszeit populär wurde. In den USA ist „self-optimization“ als Konzept gar nicht so geläufig.
Warum? Laut Röcke liegt das an gesellschaftlichen Entwicklungen – während in den USA individuelle Freiheit stärker betont wird, war die deutsche Gesellschaft stärker auf Effizienz, Kontrolle und Strukturen ausgerichtet.

Die Links zu den Artikeln:
Das Interview auf Forschung & Lehre
Der Artikel bei Psychologie Heute

2. Wann Selbstoptimierung gut ist – und wann sie kippt

Endlostreppe

Selbstverbesserung ist nicht grundsätzlich schlecht – im Gegenteil!
Lernen, Neues ausprobieren, sich weiterentwickeln – all das bringt uns weiter. Manchmal ist sie sogar notwendig, um unsere Ziele zu erreichen.
Wer in einer Band spielen will, muss ein Instrument lernen, selbst in einer Punkband. Trotz aller Mythen braucht es ein Mindestmaß an Können, um Songs spielen zu können.

Doch wo liegt die Grenze?

  • Wenn aus Motivation ein Zwang wird.
  • Wenn Fortschritt nie genug ist und in Selbstkritik & Überforderung umschlägt.

Genau das schauen wir uns jetzt an: Die feine Linie zwischen Fortschritt & Selbstzerfleischung.

3. Wann Selbstoptimierung ins Ungesunde kippt

Wenn du dich in der Selbstoptimierungsfalle befindest, könnten diese Anzeichen bekannt vorkommen:
  • Du setzt dir ständig neue Ziele, ohne jemals zufrieden zu sein.
  • Du bist mehr an der Anzahl deiner Schritte interessiert als an deinem schmerzenden Knie.
  • Du ignorierst Warnsignale deines Körpers oder schiebst sie darauf, „nicht genug getan zu haben.“
  • Erholung fühlt sich wie Zeitverschwendung an. (Spoiler: Erholung ist essenziell für langfristigen Erfolg!)
  • Du hast ein schlechtes Gewissen, wenn du mal „nichts tust“.
  • Bei jeder Kleinigkeit wirfst du dir selbst vor, zu faul zu sein.
  • Die Selbstkritik wird immer härter, egal, wie viel du erreichst.
  • Du optimierst nicht nur deine Arbeit und dein Lernen, sondern auch deinen Schlaf, deine Ernährung und dein komplettes Leben bis zur Erschöpfung.
  • „Noch nicht perfekt“ ersetzt „gut genug“. Du feilst ewig an allem, anstatt Dinge einfach abzuschließen.
  • Du hast Schwierigkeiten, spontane Entscheidungen zu treffen. Alles muss durchdacht und optimiert sein. (FOMO-Gefahr droht ebenso.)
  • Freizeit fühlt sich „nutzlos“ an, wenn sie keinen Mehrwert bringt. Wobei der Mehrwer nur noch der Produktivitätsfaktor ist, nicht mehr der Spaß.
  • Du vergleichst deine Erfolge ständig mit anderen. Und fühlst dich immer nur maximal zweitrangig.
  • Dein Alltag ist durchgetaktet. Wenn du „aus dem Plan“ fällst, stresst dich das extrem.
Erkennst du dich hier wieder? Dann lohnt es sich, genauer hinzusehen. Denn was als Verbesserung beginnt, kann schnell zur Selbstzerfleischung durch Optimierung und Perfektionismus werden.

4. Folgen des Selbstoptimierungswahns

„Keine Zeit, keine Zeit!“
Wer sich selbst immer weiter optimiert, lebt irgendwann wie das weiße Kaninchen aus Alice im Wunderland. Alles ist durchgetaktet, jede Handlung muss einen Zweck haben, jede Sekunde wird genutzt. Doch wo bleibt das eigentliche Leben?

Was als harmloser Wunsch nach Verbesserung beginnt, kann sich schnell in eine Dauerschleife aus Selbstkritik, Perfektionismus und Erschöpfung verwandeln. Die Folgen? Sie betreffen nicht nur die eigene mentale und körperliche Gesundheit, sondern auch unser soziales Leben.

Selbstoptimierung-Meditation

Psychische und körperliche Überlastung

  • Überforderung und Erschöpfung
  • der Körper kommt nicht mehr hinterher, weil er ja keine Pausen machen darf
  • Verspannungen durch ständige Anspannung
  • immer auf „Leistungsmodus“
  • Schlafstörungen, weil der Kopf nicht mehr abschalten kann
  • das Leben besteht nur noch aus Zielen, aus Selbstkontrolle und Zwang – jede Handlung wird analysiert, jede Gewohnheit überwacht
  • Burnout und Depressionen können sogar daraus folgen!

Anja Röcke warnt in ihrem Interview, dass Selbstoptimierungsdruck von Frustration bis hin zu manifesten Depressionen oder Burnout führen kann. Sogar psychosomatische Beschwerden und der Griff zu Psychopharmaka sind keine Seltenheit.

Fixierung auf das „Optimale“, und damit nur noch auf sich selbst

Was passiert, wenn alles im Leben nur noch um die eigene Verbesserung kreist?

  • Das Leben wird nur noch nach Effizienz gemessen.
  • Spontaneität und Kreativität nehmen ab, weil sie „Zeitverschwendung“ sind.
  • Soziale Beziehungen leiden. (Du hast dann ja eh keinen Blick mehr für andere.)

Röcke stellt fest, dass übersteigerte Selbstoptimierung oft dazu führt, dass Menschen weniger Zeit für Freunde, Familie und gesellschaftliches Engagement haben. Wer immer „besser“ werden will, muss Prioritäten setzen und entscheidet sich dann vielleicht für die nächste Fortbildung statt für ein Treffen mit Freunden.

Die digitale Selbstvermessungsspirale

Apps, Smartwatches, digitale Gesundheits-Tracker… Sie alle sollen helfen, unser Leben zu verbessern. Aber sie bringen auch Gefahren mit sich, denn plötzlich wird jede Handlung überwacht und bewertet.
Schritte, Kalorien, Arbeitszeit, alles wird gemessen, nichts wird einfach nur erlebt. Die Kontrolle über das eigene Leben wird zur Kontrolle DURCH Optimierungsziele.

Wer nur noch Zahlen und Fortschritte im Blick hat, verliert das Gefühl für sein eigenes Wohlbefinden.
Was bringt es, 10.000 Schritte zu machen, wenn dabei das Knie schmerzt?

Die Perfektionismus-Falle: Mehr ist nicht immer besser

„Mache ich Feierabend oder arbeite ich noch an meinem perfekten Lebenslauf?“
„Gehe ich zur Demo oder optimiere ich lieber meine nächste Präsentation?“

„Ich bin erst zufrieden, wenn…“ – genau hier liegt die Falle.
Perfektionismus macht aus Fortschritt eine endlose Spirale. Je mehr wir erreichen, desto mehr erwarten wir von uns selbst. Selbst kleine Pausen fühlen sich wie Versagen an. Erfolg wird nie richtig gefeiert, weil schon das nächste Ziel wartet.
Beispiel gefällig? Bachelorabschluss erreicht = eine Aufgabe weniger. Feiern? Keine Zeit / keine Energie mehr dafür.

Selbst Zeitmanagement wird oft so perfektioniert, dass am Ende nur noch mehr Arbeit dabei herauskommt – und keine echte Freiheit.

Aber ist es das, was wir wirklich wollen?

5. Strategien, um aus dem Optimierungswahn auszubrechen

Selbstoptimierung kann motivierend sein, aber wenn sie uns zum Ausbrennen treibt, brauchen wir neue Strategien. Hier sind einige praktische Wege, um aus der „Nie genug“-Spirale auszusteigen und wieder mehr Lebensqualität zu gewinnen.

Fitnesstracker zur Selbstoptimierung

Erfolge bewusst feiern und wertschätzen

  • Statt sofort zum nächsten Ziel zu springen: Halte kurz inne!
  • Feiere kleine und große Erfolge ohne direkt „Ja, aber…“ zu denken.
  • Schreibe erreichte Ziele auf, denn unser Gehirn vergisst schnell, was wir schon geschafft haben.
  • Setze einen klaren Fokus! Nichts stresst mehr, als zu viele Optimierungsziele auf einmal. Beschränke dich auf 2-3 Verbesserungen, statt alles gleichzeitig anzugehen.

Wer nie innehält, merkt gar nicht, wie weit er eigentlich schon gekommen ist.

Pausen und Langeweile wieder zulassen

Langeweile ist kein Feind. Sie fördert Kreativität und Erholung. Und Erholung ist keine Zeitverschwendung, sondern eine Notwendigkeit für langfristige Produktivität.

Wenn du Pausen nur „erlaubst“, wenn du sie „verdient“ hast, ist das ein Warnsignal. Du steckst in der Falle! Willst du dagegen ausbrechen und kreativer sein, dann wage mehr Müßiggang. Kreativität entsteht nicht im durchgetakteten Modus, sondern oft im „Nichts-Tun“. Archimedes’ Heureka-Moment kam nicht am Schreibtisch, sondern der Legende nach beim Baden.
Manchmal sind die besten Ideen ein Nebenprodukt von Ruhe.

Ziele mit echter Zufriedenheit verknüpfen

statt mit „Höher, schneller, weiter“ Frage dich: Warum will ich das überhaupt? Optimiere nicht um des Optimierens willen, sondern für das, was dir wirklich wichtig ist. Ziele sollten nicht nur „höher, schneller, weiter“ sein, sie sollten sich richtig anfühlen. Überlege dir genau, welchem höheren Ziel deine Optimierung dient. Bringt sie dir wirklich etwas oder optimierst du nur, weil es „chic“ und trendig ist? Nicht alles muss verbessert werden, manches darf einfach sein.

Sich selbst akzeptieren – mit Macken und Unvollkommenheiten

Menschen mögen dich nicht wegen deiner Perfektion, sondern oft gerade wegen deiner Ecken und Kanten. Was dich einzigartig macht, sind nicht deine optimierten Fähigkeiten. Es sind dein Charakter, deine Eigenheiten, deine Art. Das japanische Wabi-Sabi-Prinzip besagt, dass das Unvollkommene oft die größte Schönheit in sich trägt. Lerne, dich selbst anzunehmen.
Oder ist das als Selbstoptimierungsziel nicht „gut genug“? 😉

Warum zwanghaft nach Perfektion streben, wenn Unvollkommenheit oft die größere Stärke ist?

Du kannst nicht jedem gefallen und du musst es auch nicht

Manchmal steckt hinter dem Selbstoptimierungswahn noch eine ordentliche Portion Gefallsucht. Doch leider ist das eine Tatsache: Egal, wie viel du optimierst, es wird immer Menschen geben, die dich nicht mögen. Du bist nicht für alle kompatibel und das ist gut so.

Versuche nicht, jemand zu sein, der du gar nicht wirklich bist, nur um irgendwo reinzupassen. Es ist okay, nicht jedem zu gefallen. Es ist okay, du selbst zu sein.

Lass die Kontrolle los und akzeptiere, dass du nicht alles optimieren kannst

Nicht alles im Leben kann vermessen, getrackt und optimiert werden. Und das ist gut so.
Durch die permanente Selbstvermessung wollen wir die Kontrolle über alles erreichen, auch über das Leben selbst. E gibt aber weder eine Geling-Grantie noch die Möglichkeit, wirklich alles unter Kontrolle zu haben. Das Leben ist launig! Also lerne besser, dich auf das Unkontrollierbare und Nichtmessbare einzulassen. Wer sich immer nur an Zahlen und Fortschritten orientiert, verpasst oft das Wesentliche.

Manchmal liegt der größte Fortschritt darin, die Kontrolle loszulassen und einfach nur zu leben.

6. Fazit: Wann hast du dir das letzte Mal erlaubt, einfach zu sein?

Selbstoptimierung kann inspirierend sein, aber sie kann auch in eine Falle führen. Eine, in der wir ständig nach „mehr“ streben, ohne jemals wirklich zufrieden zu sein.

Was bleibt, wenn wir uns immer nur verbessern wollen?
Wann ist es genug?
Und wann haben wir das letzte Mal einfach das Leben genossen? Ohne To-Do-Listen, Fortschrittskontrollen und Optimierungsziele?

Vielleicht ist die wertvollste Optimierung von allen, sich selbst zu erlauben, einfach zu existieren.

Denn du bist nicht wertvoll, weil du produktiv bist.
Du bist wertvoll, weil du du bist!

Und manchmal ist das vollkommen genug.

Moritz und die Silvestergefahr

Moritz und die Silvestergefahr

Für alle, die kleine Tiergeschichten lieben, habe ich eine Kurzgeschichte mit der Hauptpers…katze Moritz im Gepäck, so wie er Silvester erlebte.

Moritz und Silvester

Moritz und die Silvestergefahr

 

Schon wieder knallte es irgendwo. Moritz zuckte zusammen, schaute sich vorsichtig um, dann rannte er über die Straße zurück zu seinem Garten, seinem Revier. Nicht noch so ein Knallding gleich neben ihm! Beinahe hätte es ihn vorhin erwischt! Als dieses laute Ding direkt neben ihm losging, waren einige Menschen in seiner Nähe. Sie lachten und jubelten, als ob es etwas Schönes wäre. Ihm dagegen klingelten nach wie vor die Ohren von diesem Krach, genauso hatte er noch den Geruch von Verbranntem in seiner Nase.
Verbrannt = Feuer = heiß = kann wehtun!

Wussten die Menschen das nicht? Bei den kleinen waren auch große Menschen dabei gewesen, die müssten doch auf jeden Fall wissen, dass Feuer gefährlich war. Also bei seiner Spezies, den Katzen, waren Junge schützenswert, die setzte man nicht einfach solchen Gefahren aus! Aber die Menschen hatte es wohl nicht interessiert. Sie fanden es sogar sehr lustig, als ihre Jungen weiße Papierkügelchen auf den Boden warfen, die ebenfalls knallten und verbrannt rochen. Fast so schlimm wie diese funkensprühenden Knalldinger, die vom Boden wegflogen, aber keine Vögel waren. Verrückte Menschen, vermutlich lebensmüde, anders konnte er sich dieses Verhalten nicht erklären.

Es donnerte und blitzte, wenn es gewitterte, aber einfach so? Ohne Vorwarnung? Dunkel erinnerte er sich, dass es schon mal überall geknallt hatte, tagelang, dann war es endlich vorbei. Zu dieser Zeit war es ebenfalls kalt gewesen und überall brannten bunte Lichter. Ob es da einen Zusammenhang gab?
Heute war es sogar schlimmer als die beiden Tage zuvor, denn nun knallte es bereits vor Einbruch der Dunkelheit ständig aus vielen Richtungen. Moritz konnte nicht einordnen, wo es draußen sicher war. Wahrscheinlich nirgends. Endlich kam er im Garten an und flitzte so schnell er konnte zur Haustür, wo er durch die Katzenklappe in die Wohnung gelangte, die er mit seinem Frauchen Kerstin bewohnte. Hier war es viel ruhiger. Trotzdem drang der Lärm von draußen hinein. Moritz verkroch sich unter die Couch und hoffte zitternd, dass er nun in Sicherheit war. Wenn er Junge hätte, die würden jetzt mit ihm unter der Couch liegen, während er wachsam die Umgebung beobachtete. So dumm wie diese Menschen war keine vernünftige Katze! Nicht auszudenken, wenn so ein Knallding hier in die Wohnung käme.

„Moritz, mein Schatz, was machst du denn unter dem Sofa?“
Er lugte unter der Couch hervor und sah Kerstin, die auf dem Boden kniete und sich nach vorne beugte. Oh, was wenn ihr etwas passieren würde? Moritz sah sich um, aber es war nicht möglich, sie in diesen Unterschlupf zu bekommen. Seine Menschenfrau war einfach zu groß. Innerlich seufzte er und hoffte, dass sich wirklich keins dieser Knalldinger hierher verirrte.
„Mein armer Liebling, dieser Lärm ist schrecklich, stimmt’s?“
Moritz maunzte leise. Oh ja, schlimm, ganz schlimm.
„Keine Angst, das ist draußen. Hier in der Wohnung kann uns nichts geschehen.“
Irgendwie tröstete ihn ihre beruhigende Stimme. Langsam traute er sich hervor und ließ sich von ihr kraulen. Sie setzte sich auf die Couch. Misstrauisch sah sich Moritz um, ob es wirklich sicher war. Mauern, hier waren Mauern. Und dass die Fenster fest waren, man also nicht einfach so durch konnte, das wusste er seit seinen Kätzchentagen, als er einmal dagegen gerannt war. Das hatte ganz schön geschmerzt, aber gerade war er dankbar, dass sie wahrscheinlich auch diese Knalldinger aufhalten würden. Er nahm all seinen Mut zusammen und sprang aufs Sofa, wo er sich an Kerstin kuschelte. Langsam döste er ein.

Plötzlich schreckte er auf. Es klang, als würde die Welt untergehen. Ein Dauerlärm, ein Dauergeknalle, laute Menschen, die irgendwas mit „Prost Neujahr!“ brüllten. Moritz huschte unter die Couch und drückte sich an die Wand, wo garantiert kein Knallding hinkommen konnte. Er hielt Ausschau nach seinem Frauchen. Zu seinem Entsetzen entdeckte er seine Menschenfrau direkt am Fenster. Sie stand davor und sah hinaus. Sie war in Gefahr! Er kroch laut miauend zum vorderen Ende seines Versteckes. Hörte sie ihn nicht? Er miaute lauter. Jetzt drehte sie sich um. Direkt hinter ihr vorm Fenster sah er Lichtblitze, hell, manchmal sehr bunt, einige scheinbar weiter weg, andere näher… Sie soll da weg! Wenn Moritz in ihrer Sprache hätte rufen können, er hätte sie angebrüllt, sie solle den Rollladen herunterlassen und weg vom Fenster in Deckung gehen. Konnte er aber nicht. Also maunzte er lange, laut und in seinem jämmerlichsten Ton, den er von sich geben konnte. Sie verstand das wohl falsch, aber immerhin kam sie auf ihn zu und setzte sich vor ihn auf den Boden.

Moritz am Fenster
„Hey, mein Schatz, alles gut! Uns kann hier nichts passieren. Die Menschen feiern Silvester. Gleich ist es überstanden, dann wird es wieder leiser…“ Er lauschte ihrem Strom an beruhigenden Worten, aber sogar nach einer gefühlten Ewigkeit war es unverändert laut. Sein schwarzes Fell stand in alle Richtungen ab und er zitterte vor Anspannung. Ihn weiterhin kraulend sah Kerstin zwischendurch auf die Uhr. Sie schaute kurz zu ihrem Smartphone, das nun ebenfalls vor sich hinlärmte. „Bestimmt sind das viele Neujahrsglückwünsche, die mir Familie und Freunde schicken“, erklärte sie Moritz, der in Richtung Tisch schielte.

Das Smartphone brummte, klingelte, blinkte. Es war einfach zu viel! Bevor dieses komische Ding am Ende noch laut explodierte und ebenfalls Lichtblitze verschoss, sollte es besser in einer anderen Ecke sein. Weit weg von ihnen! Kurzentschlossen sprang Moritz auf den Tisch und fegte das Teil herunter, dann vom Wohnzimmer durch die Tür in Richtung Haustür. Schnelle, heftige Pfotenhiebe, so wie er es mit dem Ball und anderem Spielzeug geübt hatte. Hah, endlich zahlte sich dieses Training aus! Dieses lärmende Ding hier würde ihnen nicht gefährlich werden! Er würde seine Menschenfrau und sich beschützen. Das Smartphone knallte gegen die Haustür. Ein klein wenig mittiger und es wäre vermutlich durch die Katzenklappe nach draußen gesegelt. Aber dort in der Ecke hinter der Flurkommode, in der Kerstin ihre Schuhe aufbewahrte, war es in Ordnung. Wozu riskieren, dass er es nach draußen befördern wollte, und es genau in diesem Moment hochging?
Moritz drehte sich um und maunzte Kerstin an, die direkt hinter ihm stand. Was machte seine Menschenfrau denn hier? Erkannte sie nicht die Gefahr? Er miaute sie an und drückte sich so gegen ihre Beine, dass sie automatisch einen Ausfallschritt nach hinten machte. Er versuchte ihr klarzumachen, dass sie beide zurück ins Wohnzimmer sollten, maunzte weiter, eindringlicher, rieb sich an ihr. Als Kerstin verstand, dass er sie nicht zu ihrem Mobiltelefon lassen wollte, kehrte sie mit ihm zum Wohnzimmer zurück.
„Es brummt noch, also dürfte es nicht kaputt sein“, murmelte sie.
Da es nun deutlich leiser, die Lichtblitze draußen beinahe verschwunden und das gefährliche Smartphone weit genug entfernt waren, sprang Moritz auf die Couch und lud Kerstin ein, zu ihm zu kommen. Kuschelzeit! Bestimmt musste er sie nach diesem Schreckmoment mit diesem blinkenden Ding in ihrer Wohnung beruhigen. Irgendwann döste er auf Kerstins Bauch liegend ein.

Als Moritz wieder aufwachte, stellte er zufrieden fest, dass sein Frauchen leise vor sich hin schnarchte. Vorsichtig sprang er herunter und schaute nach dem Smartphone. Es lag ruhig in der Ecke, nicht explodiert. Doch selbst wenn gut, dass er so souverän gehandelt hatte! Draußen schien ebenfalls alles leise zu sein. Er steckte den Kopf durch die Katzenklappe und sah sich um. Alles in Ordnung. Es roch noch verbrannt, seltsame Papierfetzen lagen verstreut überall herum, aber die Welt hatte dieses Horrorszenario überstanden. Moritz drehte eine kleine Inspektionsrunde und kehrte voller Stolz zurück zur Haustür. Egal was mit all den Menschen geschehen war, die in der Nacht so dumm waren, sich draußen aufzuhalten, sein Frauchen hatte dank ihm überlebt. Er huschte zurück auf die Couch, kuschelte sich an Kerstin und schlief weiter. Ende. 😉

Zum Hintergrund:
Mit dieser Kurzgeschichte, die auch gerne weitergeleitet und verbreitet werden darf (nur bitte mich als Urheberin drin lassen!) verbinde ich einen kleinen Appell: Bitte böllert an Silvester nur um Mitternacht, dann wenn es eigentlich auch erlaubt ist.
Ich weiß nicht, wie es bei euch war, aber hier in Bad Kreuznach begann Tage vorher schon der Knallwahnsinn, der auch am 01.01.2025 noch anhielt. Mich als Mensch stört diese Rücksichtlosigkeit, aber ich kann damit leben. Ich denke allerdings oft an meinen (verstorbenen) Kater, für den diese Zeit gar nicht angenehm war, so wie für viele andere Haustiere. Doch die können sich immerhin noch in die Häuser zurückziehen. Für all die Tiere, die da draußen leben, dürfte das eine echte Horrorzeit sein. Müssen wir Menschen denn immer nur an das eigene Vergnügen denken und so rücksichtslos sein? Außerdem: Wenn es nur einmal im Jahr an Silvester stattfindet, ist es etwas Besonderes. Wenn wir aber eine Woche Dauersilvester haben, geht der Reiz verloren (und nervt nur noch).

Falls du die Geschichte als PDF willst, hier bekommst du sie: Moritz und die Silvestergefahr

P.S.:
Moritz ist der schwarze Kater von Kerstin, der Protagonistin des Buches „Katze in der Tasche“, erhältlich über Amazon.

Preptober und NaNoWriMo

…na, wer weiß, was dieser seltsame Kauderwelsch da oben bedeutet? Also ich war, als ich diese Ausdrücke vor einigen Jahren das erste Mal hörte, vollkommen überfragt.
Preptober? Prepper + Oktober.
NaNoWriMo? National Novel Writing Month
Immer noch nicht schlauer? Dann lies den nächsten Absatz. Falls du es bereits weißt, überspringe den Absatz am besten. 😉

Im Preptober bereitet man sich auf den NaNoWriMo vor

1999 gründete der US-Amerikaner Chris Baty den NaNoWriMo. Mit 20 Freunden und Bekannten schloss er sich zusammen. Sie alle hatten das Ziel, in einem Monat den Rohentwurf einer Novelle zu schreiben, Umfang: 50.000 Worte. Im Jahr darauf verlegten sie diesen Schreibmonat auf den November, da das Herbstwetter eher zum Schreiben einlädt. Ab 2000 wurden es immer mehr Teilnehmende, nach und nach auch internation. Die Wikipedia nennt für 2009 über 165.000 Autoren weltweit. Für 2022 führt die offizielle Website NaNoWriMo.org 413.295 Schreiberlinge auf.

Dieser National Novel Writing Month, der nationale (mittlerweile internationale) Romanschreibemonat, dürfte damit wohl Ausmaße erreicht haben, von denen Chris Baty und seine Mitschreiber*innen 1999 nicht einmal geträumt haben dürften.

Die 50.000 Wörter wählte er, damit der innere Kritiker verstummt und überhaupt erst einmal ein Rohentwurf entsteht. Manche meinen ja, ein Buch würde einfach so mal aus dem Ärmel fallen und das dann sofort perfekt. Oh nein… Erste Entwürfe sind von Natur aus eher… naaaaaaaja. Unser innerer Kritiker verbessert da zunächst mal nichts, der bremst nur aus. Bei diesem Tempo, das während des Novembers vorgelegt werden soll, besteht die Chance, den kleinen Quälgeist Luft schnappend am Wegesrand stehen zu lassen, will er nicht überfahren werden. Und wenn der November vorbei ist – dann darf er gerne mithelfen, alles in etwas Lesbares zurechtzuzimmern.

Zumindest so der Plan. Da trotzdem 50.000 Worte ein heftiges Ziel sind, entwickelte sich der Preptober, in dem sich die teilnehmenden Schreibertierchen auf den NaNoWriMo vorbereiten. Das geht vom „Habe ich überhaupt alles?“, einigen Vorabüberlegungen, die Familie vorwarnen bis hin zu ausgefeilten Plots und Charakterstudien, die das Schreiben erleichtern sollen. Mit ein wenig Ausrüstung fällt schließlich jede Wander- oder Klettertour ebenfalls leichter.

2024 – Jubiläumsjahr

25 Jahre gibt es nun den NaNoWriMo. Ich wollte schon vorher daran teilnehmen, es kam jedoch immer wieder etwas dazwischen oder ich vergaß es ganz schlicht und einfach. Doch dieses Jahr, passend zum Jubiläum, habe ich beinahe in letzter Sekunde (gestern… *hust*) daran gedacht.

Was ich mir davon verspreche?
Nun ja, einer meiner Romanidee aus dem Kopf zu bekommen, diese Ideen stauen sich eh schon. Kurz notieren, um Platz in den Kopf zu bekommen, nützt nichts. Wirklich geschrieben habe ich dann immer noch nichts und die nächsten Ideen kommen dann auch schon wieder angeschlichen.
Außerdem wollte ich es längst einmal ausprobieren, ob ICH einen Rohentwurf in einem Monat hinbekomme. Dass es andere bereits geschafft haben, ist klar. Aber packe ich das? Ich habe keine Ahnung! Theoretisch ja, doch praktisch…???

Ich will wissen, wie es ist.
Schweigt der Kritiker dann wirklich weitgehendst?
Will ich danach überhaupt noch schreiben oder habe ich dann vollkommen die Schnauze voll?
Oder entwickele ich mehr Schreibdisziplin?
Finde mehr oder bessere Schreibtricks?

Das Einzige, was mich gerade ein wenig beruhigt: Ich weiß, dass ich schon eine kurze Novelle und einen Ratgeber geschrieben habe. Selbst wenn ich es nicht schaffe, den Rohentwurf zu beenden, stehen die Chancen gut, dass trotzdem ein Roman entstehen wird.
Eine Herausforderung wird es trotzdem, das ist sicher.

Und du? Welche Herausforderung hast du dir als nächstes angelacht?

Bewerbungen nerven

Bewerbungen schreiben und versenden? Mag ich nicht. Ich mag den kompletten Bewerbungsprozess nicht. Es nervt, wenn bereits die Stellenanzeige zu viele Fragen für mich offen lässt. Es nervt, wenn ich umständlich Unterlagen hochladen und trotzdem Formulare wie bei Ämtern ausfüllen muss. Ganz zu schweigen von dem Erstellen irgendwelcher Accounts nur für diese eine Bewerbung – und dann bekomme ich maximal eine automatische Antwort und höre nichts mehr. Bewerbungen nerven!

Liebe Leute in den Führungspositionen und HR-Menschen:
Meint Ihr nicht, dass es wirklich mal Zeit wird, Euren Bewerbungsprozess zu modernisieren? Ihr verhaltet Euch wie in den Zeiten der Massenarbeitslosigkeit und beklagt Euch über fehlende Fachkräfte. Schon mal dran gedacht, dass Ihr fähige Leute auch abschrecken könnt? Ich gebe Euch gerne einige Beispiele.

Stellenanzeige: Eierlegende Wollmilchsau soll sich zum Nulltarif ausbeuten lassen?

Ja, das ist hart formuliert. Doch für mich klingen sehr viele Stellenanzeigen genau so!

Die Arbeitsgebiete und Aufgaben sind nicht klar abgegrenzt. Beispiel:
Ein Bildungsunternehmen suchte eine Trainerin für EDV-Kurse, die „remote vor Ort“ stattfinden sollten. Aha. Geht auch remote von mir Zuhause aus? Gleichzeitig stand drin, dass die Arbeitszeiten flexibel seien, obwohl die Kurse zu festen Zeiten stattfanden. Natürlich fragte ich mich da bereits, ob ich fest oder befristet angestellt bin oder das auf Honorarbasis laufen soll. Doch neben dem Unterrichten sollte ich auch Lehrpläne und Kursprogramme „in Absprache“ für andere erstellen, die Evaluation durchführen und und und. Okay…???
Wenn ich selbst unterrichte, sind es dann die selbst erstellten Kurse oder Kurse, die andere erstellt haben? Zudem wurde eine ganze Bandbreite an Themen genannt. Heißt das, das ist im Aufbau und wir erstellen zunächst eine Basis, die dann alle Unterichtende nutzen? Für meinen eigenen Unterricht bin ich es gewohnt, genauso tauschten meine Kolleg*innen und ich uns aus, damit es nach außen ein einheitliches Bild ergab. Ist es so gemeint?

Ich mag es absolut gar nicht, wenn ich eine Rückfrage zur Stellenanzeige selbst habe, aber telefonisch abgewimmelt werde oder, wenn per Mail gefragt, meine Frage ignoriert wird. Keine Antwort heißt für mich: Ihr wollt keine Bewerbung.

Hinzu kamen bei dieser Stellenausschreibung weitere sehr unklare Aussagen, bei denen ich genauso gut plötzlich Standortleiterin oder sonstiges hätte sein können. Selbstverständlich nicht so bezeichnet, das würde ja mehr kosten. Und ganz selbstverständlich tauchten einige der üblichen Floskeln auf, für die es mittlerweile wirklich Schmerzensgeld an die Menschen geben müsste, die diese Stellenanzeige überhaupt lesen!

Beim Lesen solcher Anzeigen beginnt es bereits, dass Bewerbungen nerven. Und wie gesagt: Keine Antwort auf meine Frage, durch die ich mehr Klarheit bei all dem gewinnen wollte? Bye, ich melde mich so schnell nicht wieder bei Euch!

„Wie geben Ihnen eine sinnstiftende Arbeit!“

Was mich an dieser Floskel stört? Sie wird meist von Firmen verwendet, die durch das „Sinn“-Argument die Gehälter drücken wollen. Bei manchen hatte ich sogar schon den Eindruck, als ob sie erwarten würden, dass für diese Sinnstiftung bezahlt werden müsste.

  1. Sollte das ein „Wir holen die Millenials ins Boot“-Schiene sein? Haltet Ihr die Leute für so dumm, dass sie einen Extrahinweis darauf brauchen, wie „sinnstiftend“ etwas ist?
  2. Es handelt sich meist um vollkommen normale Jobs. Sie sind weder moralisch, ethisch oder sonstwie herausfordernd, noch unbedingt darauf aus, Armen zu helfen, Kranken, sonstigen Hilfesuchenden. Es sind ganz einfach gewöhnliche Jobs. Ein Etikett ankleben ändert nichts an dieser Tatsache.
  3. Wenn die Tätigkeit sinnstiftend ist, dann wird das bereits bei der Jobbeschreibung deutlich.
  4. Die Bewertung, ob etwas sinnstiftend ist oder nicht, liegt nicht bei den Arbeitgebern, sondern bei den Menschen, die diese Tätigkeit ausüben.
  5. Wenn das Leben so unbedeutend ist, dass jemand eine Arbeitsstelle benötigt, die im Stellenangebot als „sinnstiftend“ beschrieben wird, ist es sehr traurig für die jeweilige Person.
  6. Unternehmen, die „sinnstiftend“ schreiben und brüllen, sind meistens die arbeitnehmerunfreundlichsten. Die schlimmsten Ausbeuter, die mehr und noch mehr verlangen, bis ein Arbeitnehmer*in ausgebrannt ist! Zumindest meiner Erfahrung nach.

Kurz: Liebe Firmen, spart Euch diese wenig sinnvolle Floskel. Die glaubt Euch eh keiner.

„Angemessene Vergütung“

Eine weitere Floskel, die so unheimlich viel, nämlich NICHTS aussagt!
Was ist denn „angemessen“? Angemessen für den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber?

Natürlich gehört zu einer Stelle mehr als das Gehalt. Da ich jedoch Miete, Nebenkosten, Strom zu zahlen habe und für meinen Lebensunterhalt aufkommen muss, ist der Punkt „Gehalt“ für mich wichtig. Wenn ich gar keinen Anhaltspunkt finde, nicht einmal eine Orientierung am Tarifvertrag von XYZ, stattdessen jedoch im Internet bei der weiteren Recherche auf negative Bewertungen das Gehalt betreffend stoße, dann seid Ihr für mich uninteressant.
<Ironie an>Süß <Ironie aus> ist es auch, wenn vom gleichen Unternehmen eine Honorarkraft gesucht wird mit dem Hinweis, es würde ein attraktiver Stundensatz von 20 Euro bezahlt werden. 20 Euro? Als Selbstständige? Was soll daran „attraktiv“ sein? Zumindest weiß ich dann, dass diese Firma Fachkräfte möglichst zum Nulltarif sucht.

Ich habe weder Lust, ausgenutzt zu werden, noch Böcke auf Gehaltsangebote, bei denen ich gleich weiß, dass ich mit Wohn- oder Bürgergeld aufstocken muss. Vergesst es einfach. Hier kann ich auch jedem jüngeren Menschen nur abraten. Bewerbungen bei solchen Firmen nerven nicht nur, sie sind vergeudete Zeit.

Noch etwas: Oft werben Formen auch mit dem „überdurchschnittlichen Gehalt“, dem „attraktiven Gehalt“ oder der „leistungsgerechten Bezahlung“. Was heißt das konkret?
Meiner Erfahrung nach ist das genauso aussagekräftig wie die „angemessene Vergütung“, nämlich gar nicht. Bei manchen Unternehmen müsste bei der Werbung mit der „leistungsgerechten Bezahlung“ eigentlich sogar Leistung zurückgehalten werden, wenn sie mit Niedriglöhnen abspeisen wollen.

Laut zweier Befragungen von StepStone liegen die fehlenden Gehaltsangaben bei den Hürden bei der Bewerbung auf Platz 1, ich bin also nicht alleine. Hier nachzulesen: Was Jobsuchende als nervig empfinden

„…aber wir haben doch einen Billiardtisch und sowas!“

Na und? Auch kostenloses Wasser oder Obst ändern nichts an der Tatsache, dass ich mein Dach über dem Kopf bezahlen muss. Das sind allenfalls nette Extras.
Oder wollt Ihr mich fürs Billiardspielen bezahlen, egal wie mies ich darin bin?

„…aber unsere Unternehmenskultur!“

Die ist doch immer absolut fantastisch, wenn ich den Unternehmen zuhöre. Ich habe es noch nie erlebt, dass jemand zu mir gesagt hat: „Unsere Mitarbeiter kommen und flüchten bei der nächsten Gelegenheit. Vielen Dank für Ihren Mut, sich trotzdem hier zu bewerben!“

Daran ändern viele Teamaktivitäten, die in Stellenanzeigen wie ein Muss klingen, nichts. Im Gegenteil: Bei mir baut das zusätzlichen Druck auf, weil ich ja nun nicht nur beruflich, sondern auch in meiner Freizeit „performen“ muss. Wenn genannt, dann bitte so, dass es wirklich wie ein freiwilliges Angebot rüberkommt.

Noch ein Satz zur Unternehmenskultur: Das gute alte Lob und die Anerkennung sowie einen Mitarbeitenden menschlich wirklich sehen – das fehlt bei den meisten Betrieben.
(Kostet ein Unternehmen garantiert weniger als ein Fitnessraum und sosntiges, ist jedoch effektiver.)

Stellenanzeigen und Bewerbungen nerven: Floskel-Bingo

Wie? Ihr seid genervt von Floskeln wie „Ich bin eine flexible und vielseitige Mitarbeiterin, die teamfähig ist“?

Mich nerven viele Eurer Floskeln. Einige habe ich bereits genannt, hier kommen weitere:

  • Teamarbeit wird bei uns groß geschrieben
  • kollegiales Umfeld
  • familiäre Atmosphäre (Hilfe, hatte ich schon! Nein, ich will nicht in Familienkram hineingezogen werden!)
  • Mitarbeit in einer erfolgreichen Unternehmensgruppe
  • vielfältige Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, Mitgestaltungsmöglichkeiten
  • proaktiv (…ich bin dann mal contrainaktiv)
  • „Hands-on-Mentalität“
  • humorvolle Unternehmenskultur
  • Start-up-Atmosphäre (heißt für mich eher: miese Bezahlung und viele Überstunden)
  • bei Bildungsträgern beliebt: „Bildung ist eine Grundlage für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.“, manchmal ist es sogar eine entscheidende Grundlage, eine unentbehrliche oder was auch immer.
  • ganzheitliche Ausrichtung
  • moderne technische Ausstattung (…na, immerhin keine Schreibmaschinen mehr)
  • „Wir suchen Mitarbeiter, die selbstmotiviert sind.“, „…begeisterungsfähig sind.“, „…Einsatzfreude mitbringen.“, „…kreative Alleskönner.“ (Gehen da nur bei mir alle Alarmsirenen los?)
  • „Sie sind sozial kompetent…“
  • seltsame Übertreibungen wie „einzigartigsten“, „vielseitigsten“, „passgenauesten“, ebenso wie „Berufung“ für eine Praktikumsstelle oder einen Minijob

Weitere gibt es hier: Nervigste Floskeln in Stellenanzeigen

Dieses Denglisch!

Was ich ebenfalls nicht ausstehen kann: dieses Denglisch!

Teilweise habe ich null Ahnung, was Ihr überhaupt von mir als Bewerberin wollt, da ich weder mit Deutsch, mit Englisch noch mit meiner Fachsprache, die ja ebenfalls sehr spezifisch sein kann, weiterkomme.
Wollt Ihr darüber hinwegtäuschen, dass Ihr null Ahnung habt, was für diese Stelle überhaupt relevant ist? Und da Ihr es nicht versteht, soll es scheinbar keiner verstehen? Das heißt aber auch, dass diese Stelle so schnell nicht besetzt wird, oder dass mit einer Luftpumpe, die genauso auf diesen Blödsinn steht, am Ende besetzt wird.

Mein Haupteindruck ist jedoch, dass Ihr nur wollt, dass alles suuuupertoll und hip und modern klingt, dabei handelt es sich um eine stinklangweilige Stelle.

Accounts, Uploads… Ab jetzt nerven Bewerbungen wirklich!

Wie bereits am Anfang erwähnt: Für mich ist es nicht nachvollziehbar, weshalb ich einen Account erstellen muss, damit ich meine Bewerbung abschicken kann. Für mich bedeutet das lediglich, dass ich noch ein Passwort aufschreiben muss. Darauf habe ich von vorneweg keine Lust.

„Darf“ ich dann meine Bewerbungsunterlagen hochladen, danach nochmals all meine Lebenslaufdaten in Formularfelder tippen, würde ich am liebsten abbrechen. Was soll das? Wieso muss ich unbezahlt bereits doppelt arbeiten? Zumal ich es so oft erlebte, dass die Formularfelder so kurzsichtig angelegt wurden, dass ich bereits zu Abkürzungen und sonstiges zurückgreifen muss, was mir das Gefühl gibt, zu schummeln. Ich wohne z. B. in einer Straße, die einen längeren Namen hat. Alleine die bereitet regelmäßig Probleme, die keine sein dürften.

Die Krönung ist es dann, wenn ich fernab meiner angestrebten Stelle irgendwelche Tests absolvieren soll.

Sorry, Bewerbungen bei Euch nerven so sehr, eigentlich habt Ihr dann bereits bei mir verloren. Und ich bin mir sicher, dass Euch dadurch viele Topleute entgehen, weil sie diesen Blödsinn nicht mitmachen wollen.

Rückmeldungen erwünscht!

Liebe Arbeitgeber*innen, ich wünsche mir wenigstens eine kurze Rückmeldung auf meine Bewerbung! Mittlerweile bin ich ja bereits glücklich, wenn diese automatische, vollkommen unpersönliche Antwort kommt. Dann weiß ich wenigstens, dass meine Bewerbung angekommen ist trotz Eurer Upload-Hürden.
Schöner ist es, wenn ich zwischendurch mal eine kurze Nachricht erhalte, falls der Bewerbungsprozess noch läuft, und wie lange es voraussichtlich noch dauern wird.

Zum Ko*** finde ich es dagegen, wenn gar nichts kommt. Ich hasse es, wenn mir das Gefühl vermittelt wird, dass ich Euch nicht einmal eine Absage wert bin. Oder haltet Ihr meine Unterlagen irgendwo bereit, falls sich nach X Jahren was tut? Dann bitte ich um eine Info!

Was ich, außer null Rückmeldungen, auch bereits erlebt habe:

  • Meldung nach einem Jahr mit dem Hinweis, die Stelle wurde andersweitig besetzt (immerhin eine Rückmeldung, aber…???)
  • „Wir benötigen ab sofort“, „könnten Sie bereits am xxx. anfangen?“ – ein halbes Jahr später erfahre ich dann, dass sich das Projekt zerschlagen hat, nachdem ich vorher nach der Eile zigmal vertröstet oder ignoriert wurde
  • Bei einer Zeitarbeitsfirma passiert: Dort als Mitarbeiterin beworben, dann plötzlich die Aufforderung mein Profil zu ergänzen, wobei ich plötzlich behandelt wurde, als ob ich als Hilfskraft über diese Zeitarbeitsfirma eine Stelle suchen würde.
  • Absagen für Stellen, auf die ich mich nicht beworben habe

…und noch einiges mehr. Ihr erwartet von den Bewerbern und Bewerberinnen, dass sie eine ordentliche Bewerbung abliefern. Wir erwarten, dass Ihr uns weder wie Luft noch wie Dreck behandelt und überhaupt wisst, was Ihr da macht.

Bewerbungen nerven, der ganze Prozess nervt!

Leider ist es damit immer noch nicht getan, bis eine Einstellung winkt. Dafür sind zunächst einmal Vorstellungsgespräche nötig. Für mich ist es okay, wenn diese telefonisch oder per Videotelefonie stattfinden, in unserer eher ländlich geprägten Gegend sind diese jedoch noch sehr selten.

Was mich dann richtig nervt:

  • Ich wurde eingeladen – und das Gespräch dreht sich um eine vollkommen andere Stelle. Meist ist diese Stelle weitaus unattraktiver oder ganz schlicht und einfach völlig unpassend.
  • „Wenn Sie nicht zu dieser Stelle passen, weshalb haben Sie sich dann beworben?“ „Wenn ich doch nicht passe, wieso haben Sie mich eingeladen???“
  • Meine Bewerbungsunterlagen wurden gar nicht gelesen! Der Bachelor-Abschluss genügte für die Einladung, nur um dann festzustellen, dass ich „das Falsche“ studiert habe bzw. „Bewerbung als…“ ja darauf steht und ich im falschen Stapel gelandet bin.
  • Verhörszenarien: Ich sitze auf einem Stuhl mitten im Raum, während im Halbkreis zig Leute hinter Tischen sitzen, mich begutachten und ins Kreuzverhör nehmen.
  • „XXX ist heute nicht da.“ Warum wurde mir nicht abgesagt?
  • „Warten Sie hier.“ Ich bin ja großzügig und warte, aber wenn nach spätestens einer halben Stunde nicht einmal eine Rückmeldung, ein Hinweis, ein neuer Termin oder irgendwas kommt, bin ich weg.

Ganz zu schweigen von all den Fragen, die weder etwas mit meiner Tätigkeit zu tun haben noch einen Arbeitgeber etwas angehen. Ich habe so oft direkte und versteckte Fragen nach meinem Kinderwunsch gehört bzw. beantwortet, man könnte wirklich meinen, das wären alles Chemiekonzerne oder Firmen gewesen, bei denen die Arbeit dort einem ungeborenen Kind schaden könnte.

Mein Fazit: Bewerbungen nerven und der Prozess dient der Abschreckung

Einige Firmen sollten sich einfach mal an die eigene Nase fassen statt sofort bei fehlenden Bewerbungen „Fachkräftemangel!“ oder „Arbeitkräftemangel!“ brüllen. Vielleicht seid Ihr ganz schlicht und einfach bereits beim Bewerbungsprozess einfach nur unattraktiv, weil Ihr es zu unverständlich und umständlich macht?

Schaut mal hier: Von wegen Fachkräftemangel: Das rätselhafte Verhalten vieler Unternehmen im Bewerbungsprozess

Hinzu kommen weitere Punkte wie eine wirklich „angemessene Bezahlung“, auf die Menschen eingehen und Arbeitsbedingungen schaffen, bei denen weniger irgendwann vollkommen ausbrennen, gerade zum Beispiel im sozialen Bereich, in der Pflege usw. Wenn ich weiß, dass ein Unternehmen nur ausbeutet, will ich dort nicht arbeiten.

Ich lebe nicht, um zu arbeiten, bis ich weggeworfen werde, weil ich nicht mehr arbeiten kann.